Donnerstag, der 16. Dezember 1976

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Donnerstag, 16. Dezember 1976

Im Klub der SPÖ wurde der neue portugiesische sozialdemokratische
Parlamentssprecher vorgestellt. In seiner Begrüssungansprache,
die übersetzt werden musste, sprach er über die Entwicklung der
sozialdemokratischen Partei Soares' und über die Demokratie-Entwicklung
in Portugal. Als Rechtsanwalt hatte er sozusagen unter Salazar
Eingang als Häftling in die Politik gefunden. Nach der Revolution
war er Justizminister und dann bekleidete er noch andere ver-
schiedene Posten im Kabinett, bevor er jetzt seine Haupttätigkeit
auf das portugiesische Parlament verlegte. In meinen Augen ist
das Zeichen einer solchen werdenden Demokratie, dass die jungen
Leute meistens verschiedenste Ämter bekleiden. Aus Zeitmangel
und wahrscheinlich auch aus Desinteresse ergab sich überhaupt keine
Diskussion.

In der Haussitzung am letzten Tag stand diesmal Handel und
Finanzen gleichzeitig zur Debatte. Wie erwartet waren zwar
ungemein viel Redner für das Kapitel Handel gemeldet aber schon
Sallinger als der Hauptsprecher der grossen Opposition beschäf-
tigte sich primär mit dem Finanzminister. So ging es durch die
ganze Debatte durch. Androsch wurde einige Male über konkrete
Fragen immer wieder interpelliert. Hauptsächlich wollte man von
ihm wissen, wie er sein Budget jetzt noch vertreten könne, wenn
er selbst erklärt, 4,5 % reales Bruttowachstum sei die Grundlage
und Kreisky in dem letzten Ministerfoyer erklärte, er erwarte nur
3,5 %, weil er immer schon pessimistisch gewesen sei. Die Prognose-
Vorschau kann natürlich überhaupt niemals die echte Grundlage für
die Budgeterstellung sein. Vor allem aber kann man nicht das
Budget im letzten Moment ändern wenn sich die Prognose aus welchen
Gründen immer nach unten oder oben korrigiert. Für die Opposition
war das Ganze auch nur ein Aufhänger, um – wie Taus sich ausdrück-
te – Kreisky jetzt nicht abseilen zu lassen. Der schwache Punkt
oder besser gesagt, das Angriffsziel der ÖVP, aber auch der FPÖ
war ja, dass Kreisky sich mit dieser sattsam bekannten Methode
gewisse Rückzugsmöglichkeiten für die Wirtschaftsentwicklung des
nächsten Jahres sichern will. Seine Theorie ist ja immer, geht
es gut, dann wird kein Mensch unzufrieden sein, wird es aber
schlechter, dann hat er eben schon zeitgerecht davor gewarnt.
Anderes Beispiel: Funktioniert das Atomkraftwerk und nimmt die


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Bevölkerung dies zur Kenntnis, ist alles in bester Ordnung,
funktioniert es aber nicht, dann hat er schon, wenn auch
allerdings zu spät davon gewarnt. Zu spät in meinen Augen
deshalb, weil diese ganze Diskussion resp. Bedenken hätte
er bereits vor dem Baubeschluss, der unter Frühbauers Zeit
gefasst wurde, haben müssen. Zugegeben, damals war die ganze
Einstellung der öffentlichen Meinung nach pro Atomkraftwerk.
Von den Politikern ganz zu schweigen, die sich um das Atomkraft-
werk rissen.

Während der Debatte kam es auch zu einer sehr geschickten
Lösung des Watergate-Problems durch Koren. Fischer hatte mir
angekündigt, es wird jetzt eine Erklärung von Koren erfolgen.
Androsch meinte zu mir dann, jetzt käme der Canossagang
da hatte er sich aber sehr geirrt. Koren hat sehr geschickt
darauf hingewiesen, dass in einer parlamentarischen Demokratie
es nicht davon abhängen kann, das Wohlverhalten des Bundes-
kanzlers zu haben, ab er mit ihnen spricht oder nicht. Schon
immer stand fest, dass mit dem Vergleich Watergates niemals
Kreisky als Obmann der Partei oder als Bundeskanzler mit diesen
verbrecherischen Methoden in Verbindung gebracht werden sollte.
Er, Koren als Repräsentant des ÖVP-Klubs, stehe nicht an, dies
nochmals festzustellen. Fischer war so unsicher, ob dies Kreisky
genügt, dass – wie ich von der Regierungsbank beobachten
konnte, er zu Kreisky hinüberfragte, ob es ihm genügt. Kreisky
erkannte, dass er jetzt auf alle Fälle einlenken musste und
stimmte zu. Sehr geschickt machte er dann, um zu unterstreichen,
welche Bedeutung er dieser Erklärung Korens beimass, eine ganze
grosse Geste. Er ging zu ihm, zu seiner Bank, sprach ein paar
Worte mit ihm und gab ihm die Hand. Koren war so überrascht,
dass er nicht einmal ganz aufstand. Ich bin mit vollkommen klar,
dass jetzt die Gespräche über die Elektrizitätswirtschaft er-
folgen werden und dass das eintreten wird, was bei allen dies-
bezüglichen Kreisky-Verhandlungen immer eintritt. Während bis jetzt
seine Linie war, hart zu bleiben, alles abzulehnen, wird er
jetzt selbst ein Kompromiss suchen oder zumindestens ein solches
wünschen. Ich bin sehr gespannt, wie jetzt dann unsere Radikalin-
skis in der E-Wirtschaft reagieren werden. Ich fühle schon, dass
ich jetzt in die Situation kommen werde, eine viel radikalere
Linie vertreten zu müssen, damit diese einigermassen ihr Gesicht
wahren können.



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Mein Prinzip in jeder Budgetdebatte war, dass ich alle Redner
geduldigst anhörte, den Sitzungssaal maximal über 4 mal für
das menschlichste Bedürfnis jeweils 2 Minuten verliess und
damit glaube ich der disziplinierteste Zuhörer dieser 9-Stunden-
Debatte war. Auch diese Politik macht sich glaube ich bezahlt.
Die Kritik an meinem Ressort, insbesondere aber an meinen Ver-
halten war minimal. Überhaupt hat ein einziger Oppositions-
abgeordneter – Leitner – wegen meines geringen Einsatzes in
Brüssel wegen der Agrarexporte in die EG und wegen der Preis-
politik bei den agrarischen Erzeugnissen hart kritisiert. Da
diesmal zum Schluss der Debatte alle heimfahren wollten, erwarteten
sie ganz besonders, dass die letzten Redner sich kurz fassen.
Obwohl ich auf diese Angriffe Leitners selbstverständlich ein-
gehen musste, und ihm entgegenhielt, dass wenn wir so erfolglos
sind, die vorhergehende Regierung noch erfolgloser zu beurteilen
ist, weil immerhin wir den EG-Vertrag zustandebrachten, wenn
schon die Agrarpreiserhöhungen so unbefriedigend sind, im Ver-
gleich zur vorhergehenden Regierung wesentliche Preisverbesserungen
auch hier zu verzeichnen sind. Auf die Anfragen, soweit
es das Ladenschlussproblem betraf, Stix meinte, er wird mich dann
wieder Konsumentenminister nennen, wenn eine faire Erhebung er-
folgt, versicherte ich ihm, dass ich dies machen werden.
Bezüglich der Atomkraftwerke – Regierungsaufklärung – stellte
ich klar, dass ein diesbezüglicher Bericht ans Parlament kommen
wird. Das Parlament müsste dann entscheiden, resp. ausdrücklich
verbieten, dass das Atikraftwerke Tullnerfeld in Betrieb gesetzt
wird, ansonsten muss ich es, wenn die Betriebsgenehmigung nach
Erfüllung aller Sicherheitsvorschriften vorliegt, in Betrieb
nehmen. Bezüglich der weiteren Kraftwerke, die im Energieplan
vorgesehen sind, wird es zu einem Baubeschluss zu einem späteren
Zeitpunkt erst kommen, wenn keine andere Bedarfsdeckung möglich
ist. Bezüglich der Lehrlingsausbildung werde ich ein neues Berufs-
ausbildungsgesetz dem Parlament 1977 zuleiten. Bezüglich der
Kleingewerbetreibenden werde ich die erfolgreiche Politik, die
auch im Budget ihren Niederschlag gefunden hat, seit 1970 wurde
wesentlich mehr dafür aufgewendet, fortsetzen Einleitend hatte
ich mich schon beim ganzen Haus bedankt, für die Anerkennung, die
das Handelsressort bei dieser Budgetdebatte gefunden hat. Durch
die Koppelung mit Finanzen komme ich wirklich phantastisch weg,
es entspricht meiner Konsenspolitik, ob es allerdings politisch
gut ist, wird sich erst in Zukunft weisen. Dass die Konsens-


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politik sehr mühsam ist, ergaben die Verhandlungen über den
Elektrizitätspreis-Antrag. Zu meiner grössten Verwunderung gelang
Burian, bei dem ich mich dann auch vielmals bedankte, mit
4,3 Groschen abzuschliessen. Benya wäre bereit gewesen, 4,5
maximalst zu akzeptieren. Den AK-Vertretern, sicherlich
unterstützt durch die Handelskammer und Landwirtschaftskammer
gelang es dann doch, die EVUs zu überzeugen, dass eben nicht
mehr drinnen ist als die 4,3 Groschen. Die Grundgebühren bleiben
unverändert, nur bei Gewerbe werden sie um 2 % erhöht. Die
Industrie bekommt umgerechnet auf ihre spezifischen Tarife
plus 4,9 % Preiserhöhung. Mit der Akonto-Zahlung von 10 %
sind dies also rund 15 %. Tirol und Vorarlberg wird mit 3,3
Groschen abgefunden. Gegen Tirol hat die Arbeiterkammer wegen der
Ausschüttung der Dividende protestiert und daher der Erhöhung
formell nicht zugestimmt. Zöllner wurde aber von mir nicht im
unklaren gelassen, dass ich auf alle Fälle die Tiroler Regelung
machen muss, und dies nicht allein, weil Tieber in die TIWAG
kommen soll. Wallnöfer war seinerzeit bei mir und verlangte,
dass er denselben Groschenbetrag bekommt wie alle anderen Gesell-
schaften. Wallnöfer möchte ja sogar eine Elektrizitätssteuer
oder Landesabgabe einführen. Für mich ist viel entscheidender
als alle politischen Bedenken, dass wir den Stromtarif zwischen
Vorarlberg und Tirol auf der einen Seite und den anderen
östlichen Bundesländern nicht noch weiter auseinanderentwickeln
lassen dürfen. Damit entstehen regionalpolitisch differente
Strompreise, die eine regionale Fehlentwicklung einleiten resp.
verstärkt fortsetzen könnten. Als Auflage hat Burian, wie ich
gewünscht habe, den Tirolern mitgeteilt, sie müssten sich an
Voitsberg III sowie die STEWEAG beteiligen. Bezüglich der Kohlen-
preise wurde und wird jetzt, bis ich den Tarif genehmigt lasse,
in der OKA wegen Erhöhung der WTK- und SAKOG-Preise verhandelt.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte verfolge diese Verhandlungen, damit
sie bis Dienstag nächster Woche – Preiskommission weitestgehend
abgeschlossen sind.

Der Stellvertreter des Ministerialkanzleidirektors Schubert, der
jetzt auf 1 Jahr als Kanzleidirektor nachrücken könnte, ist
wie mit Plesch berichtete, ständig auf Urlaub oder krank, damit
er nicht von uns mit dieser Aufgabe konfrontiert werden könnte.
Die andere Seite möchte unbedingt, ihren Kandidaten mit aller
Gewalt durchsetzen. Die beste Lösung besprach ich mit Plesch ist, ob-
wohl wir dies gar nicht müssten, wir schreiben diesen Posten auch aus.

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Tagesprogramm, 16.12.1976


Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: -obmann


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 118764136


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 1017902909


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 118756265


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: AK


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Beamter HM [1972 Diskussion über Personalfragen]; evtl. ident mit Walter Schubert


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Finanzminister
                        GND ID: 118503049


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                              Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                                Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                GND ID: 12053536X


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                                  Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                                  GND ID: 119083906


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