Donnerstag, 30. Juni 1977
Wenn man zum 13. Mal Dekrete und Ehrenzeichen an die Beschäftigten
überreicht, so weiss man schon gar nicht mehr, was man Neues
sagen soll. Da ich es nicht so tierisch ernst der Würde des Hauses,
der Bedeutung des Empfängers, immerhin ist es für den Beamten
ein entscheidender Abschnitt seiner Laufbahn, entsprechend ge-
staltet wird, so versuche ich immer wieder mit Humor. Schwierig
ist es natürlich, wenn einem für 50 Leute etwas einfallen soll.
Diesmal wurde diese Feier sogar durch die ÖDK-Werkskapelle, die mir
ein Ständchen zum 30-jähr. Jubiläum der Verstaatlichten E-Wirtschaft
brachte, musikalisch, wenn auch aus weiter Ferne, untermalt. Leider
waren nur bei ganz wenigen Ausgezeichneten irgendwelche persönlichen
Bemerkungen auf meinem Spickzettel. Vielleicht sollte man wieder
die Personalabteilung darauf aufmerksam machen, dass sie
doch genug Zeit hat, um bei den Kolleginnen und Kollegen zu erfahren,
wie der Ausgezeichnete ist, was ihn besonders interessiert. Welche
Hobbys er hat, es nützt mir so wenig, wenn nur der Name darauf
steht und gerade in welcher Dienststelle er arbeitet.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte bei der nächsten Dekretverleihung, wenn
der Termin vereinbart wird, sofort diese Aufstellung verlangen.
Die beiden Vorstandsdirektoren der ÖDK und der BRO Inthal über-
reichten mir die Einladung zum Spatenstich für Voitsberg III.
Dir. Dichtl berichtete mir bei dieser Gelegenheit, dass sie
mit den Jugoslawen jetzt die Kohlenlieferung für dieses Jahr abge-
schlossen haben. Tuzlaer 100.000 t mit 487 S/t, Zenica 50.000 t
mit 500.- S/t, der Preis ist um 10 % billiger als er bis jetzt in
Zeltweg der GKB bezahlte. Die ÖDK hat immer aus Jugoslawien
direkt die Kohle bezogen, jetzt will sich die VÖEST-Alpine
mit ihrer Kohlenimport-Gesellschaft einschalten. Dies erscheint
wirklich nicht notwendig, denn die Kohlenimporte aus Polen, der
CSSR und Ungarn sind bis jetzt über die VÖEST-Kohleneinkaufs-
gesellschaft gelaufen, dort mag es auch gewisse Berechtigung
haben bezüglich der Gegengeschäfte. In Jugoslawien sind wir
nicht nur hoch aktiv, sondern dort kann die ÖDK auf jahrzehnte-
lange Erfahrungen auf Kohlenimporte zurückblicken. Grössere Schwierig-
keiten dürfte es beim Import jetzt geben, weil die SAKOG behauptet,
sie könnte diese notwendige Kohle liefern. Dichtl, aber vor allem
einmal Hautzenberg bezweifeln, dass diese Kohle in Zeltweg ver-
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feuert werden kann. Ausserdem sei es derzeit gar nicht möglich,
diese Menge jetzt sofort von der SAKOG zu bekommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Sterk besprechen.
Beim Essen mit der venezolanischen Regierungsdelegation konnte ich
feststellen, dass diese einen gar nicht allzu grossen Wert darauf
legten, für unsere Exporte, die in den letzten Jahren sich verdop-
pelt haben und 1976 die Mia.-S-Grenze überschritten haben, entspre-
chende Importe zu verlangen. Vor etlichen Jahren war unser Aussen-
handel noch nicht so ausgebaut wie dies jetzt schön langsam anläuft.
Durch die Lieferung der grössten Pelletier-Anlage 6 Mio. t durch die
VÖEST hat sich unser Export-Aktivum stark vergrössert. Durch die
Öleinnahmen kann Venezuela dieses Ungleichgewicht, wir kaufen für
ein paar Millionen Schilling, verkraften. Auf die Dauer wird dies
allerdings nicht gehen. Jetzt hat, wie der Minister erklärte, sie
auch grosses Interesse landwirtschaftliche Produkte – Trockenmilch,
Käse usw. – zu kaufen. Der VÖEST-Vertreter hofft auf eine zweite
Pelletier-Anlage, Wertheim auf einen grossen Rolltreppen-Auftrag
für U-Bahn Caracas und selbst der Gen.Dir. Kirchner von SGP glaubt,
er kann Waggons und sonstiges Eisenbahnmaterial verkaufen. Was
dieses Land aber braucht und will ist technisches Know-how, Koopera-
tionen und insbesondere Training-Center zur Ausbildung. Kreisky hat
diesbezügliche Zusagen dem Ministerpräsidenten Peréz bei seinem letzten
Staatsbesuch gemacht.
Wolfgang Denzel berichtet mir, dass nun die BMW-Werke in Salzburg
nicht nur ihre eigene Verkaufsorganisation aufbauen sondern ihm
sogar die Speditionsarbeit abnehmen. Er hofft, dass er mit Volvo, dessen
Vertretung er noch hat, stärker kooperieren kann. Im stillgelegten
Pichling, Teil der Radfabrik in Köflach, wird er jetzt eine Werk-
stätte für Niedrigkompressionszylinder und Prototypen eines Sportwagens
aufbauen. Der Umsatz soll 50 Mio betragen, jetzt fängt er mit 5 – 10
Beschäftigten an, hofft aber bis auf 100 Beschäftigte zu kommen.
In Köflach hat Volvo die Schuhfabrik um 1,5 Mill. S gekauft, bis
jetzt aber bereits 24 Mio. S Verlust erwirtschaftet. Denzel ist es
zwar geglückt, von 75.000 auf 230.000 Paar die Produktion zu steigern,
und die Beschäftigten von 130 auf 380 zu erhöhen, notwendig ist
aber eine weitere Investition von 55 Mill. S. 70 % davon wird der
ERP-Fonds leisten. Trotz der negativen Bilanz gibt es deshalb keine
Schwierigkeiten, weil die CA 80 Mill. S Kredit gegeben hat, Volvo
garantiert. Denzel fragt, ob ich bereit bin, den Volvo-Direktor
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Delander zu empfangen, der jetzt nach Österreich kommt, um die
Bedeutung zu unterstreichen, die die Regierung gerade dieser Region
widmet. Selbstverständlich sagte ich, wurde dann allerdings
verständigt, dass Delander nur ganz kurze Zeit am Flughafen
sich aufgehalten hat und gleich wieder abgeflogen ist. Verständlich
aber deshalb nicht weniger interessant, wie ein an und für
sich sicherlich sehr stolzer und autoritärer Geschäftsmann wie
Denzel in der jetzigen Situation sich mehr oder minder an die
Ministerien und da ganz besonders an das Handelsministerium oder
wenn man so will an mich anlehnt, weil er gerade in der schwierigen
Umstellungsphase der Kündigung des Importvertrages BMW jede Unter-
stützung braucht. Selbstverständlich wird sie von mir ihm auch in
jeder Beziehung gewährt. Für mich geht es nicht um Denzel,
für mich geht es um die dort Beschäftigten.
Die ÖAAB-Fraktion der Arbeiterkammern hat vor längerer Zeit im
Jänner Kreisky ersucht um eine Aussprache. Weissenberg vermutete,
dass sie sich eventuell beschweren kommen wollen, wegen zu schlechter
Behandlung innerhalb der Arbeiterkammern durch die soz. Fraktion.
In diesem Fall hätte er, wie er dies auch bereits einmal getan
hat, darauf verwiesen, dass die Arbeiterkammern Selbstverwaltungsorga-
nisationen sind und er als Aufsichtsbehörde nicht gedenkt einzugreifen
ausser wenn das Gesetz verletzt wird. Er fragte mich, ob ich ihn
unterstützen würde, da ich ja auch gleichzeitig Aufsichtsbehörde
für die Handelskammer bin. Ich informierte Weissenberg, dass seiner-
zeit Kohlmaier bei Sozialminister Häuser eine diesbezügliche
Beschwerde eingebracht hat, Häuser hat mich sofort informiert
und ich habe Sallinger und, Mussil darauf aufmerksam gemacht, was
eine solche Politik für die Autonomie der Kammern bedeuten könne.
Sallinger hat dies innerhalb der ÖVP auch dann sofort zur Sprache
gebracht und jedwede weitere Intervention von ÖAAB-Vertretern beim
Sozialministerium eingestellt. Ich bin überzeugt, dass dies heute
genauso wieder der Fall wäre. Zu meiner grössten Verwunderung aber
handelt es sich gar nicht um eine Beschwerde, sondern um eine
glaube ich sehr geschickte Aktion des ÖAAB. Kreisky wurde ein Papier
überreicht und erörtert, wo sie sich über die insbesondere steuer-
lichen Belastungen beschwerten. Der Präsident der Vorarlberger AK
Jäger, der einzige, den die ÖAAB-Fraktion stellt, verlangte von
Kreisky einen Belastungsbericht. Kreisky hatte einleitend gemeint,
er freut sich über die Aussprache und man soll eine solche weiter-
führen, wenn es nicht zu rein demagogischen Auseinandersetzungen
kommt, wie sie auch teilweise sowieso im Parlament geführt werden.
Immerhin war die Hälfte der Delegationsmitglieder Nationalräte.
Die Forderung nach einem Belastungsbericht replizierte Kreisky
dass man dann die entsprechenden Verbesserungen, die die Arbeiter
in den letzten sieben Jahren erreichten, gegenüberstellen wird.
Jetzt vor allem wird es Aufgabe sein, zu berechnen, was an den
Behauptungen der ÖAAB-Delegation überhaupt wahr ist, resp. was es
wirklich kostet. NR Gassner und andere Kollegen meinten, in der
ÖVP-Alleinregierung hätte die Arbeiterkammer sich ganz entschieden
gegen die Steuerpolitik ausgesprochen. Insbesondere ich hätte
damals mit ihm gemeinsam Resolutionen abgefasst, die wir tatsächlich
immer noch einstimmig beschlossen haben, die gegen die Steuerpolitik
gerichtet waren. Sofort konnte ich darauf verweisen, dass dies der
Arbeiterkammertag sicherlich heute auch noch machen würde, wenn –
wie die ÖVP damals – entsprechende neue Steuern eingeführt hätte und die
alten wesentlich erhöht. Jetzt konnte Androsch darauf hinweisen, dass
die Vorschläge, die der ÖAAB macht, nicht den Kleinsteinkommen zugute
kommt, weil diese sowieso bis zu gewissen Mitteleinkommen bei
vielen Kindern herauf keine Steuern bezahlen. Viel sozialer ist sein
Vorschlag, die Direktförderung, wodurch hunderttausenden von Klein-
einkommensbeziehern 2 Mia. S höhere Familienbeihilfe ausbezahlt wird.
Natürlich stürzte sich die Delegation sofort auf die Äusserung
Androschs, das kleine KFZ-Pauschale abzuschaffen. Bis 20 km kann
heute der Arbeiter 6.864.- S im Jahr absetzen. Androsch spricht
jetzt nur mehr von einem Anpassen der gesetzlichen Bestimmung an die
tatsächlich notwendigen Autofahrten. Heute kann jemand, wenn er
nur zweimal im Monat sein eigenes Auto benützt und nachher ununter-
brochen mit dem Dienstwagen fährt, trotzdem das Pauschale absetzen.
Ein Arbeitnehmer kann sogar, wenn er im Nebenhaus seiner Arbeits-
stätte wohnt, trotzdem das Pauschale kriegen. Hier soll also diese
ursprünglich bei dem Autopauschale-Einführung sicherlich nicht beab-
sichtigten Auswüchse reformiert werden.
Am Abend rief mich Bgm. Gratz an, um mitzuteilen, dass der Präs.
der Wiener Handelskammer bei ihm war und ersucht hat, Gratz soll
keine Semmelpreise amtlich festsetzen, er wird dafür sorgen, dass
de von der Paritätischen Kommission nicht genehmigten Preiserhöhungen
wieder zurückgenommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine
Verwendungszusage vorliegt, dass mit 1. August dann die Semmel-
preise von der Paritätischen Kommission wirklich erhöht werden.
Gratz hat mit AK-Präsident Czettel gesprochen, der sich dafür
einsetzen wird und ersuchte mich ich sollte mit Benya darüber reden.
Ich informierte Hofstetter und dieser versuchte, Benya zu er-
reichen. In der Zwischenzeit war aber Sallinger, Mussil und
Dittrich bei Benya und verlangten ebenfalls von ihm eine solche
Verwendungszusage. Benya war über das Ganze sehr verärgert, weil
er vermutete, dass alle ihn festlegen wollten und Dittrich jetzt
einen Erfolg haben soll. Da Dittrich dezidiert erklärt, dass
man im Rahmen der Paritätischen Kommission weiterreden wird, wenn
die Semmelpreise zurückgeführt werden, er aber keine fixe Zusage
geben kann und will. Sollten die Bäcker am Montag die Preise nicht zurück-
geführt haben, dann müsste Gratz die Preisregelung durchführen.
Gratz selbst hat mir wieder gesagt, seine Beamten verlangen, um-
fangreiche Vorerhebungen bevor sie den Preis mit 1.- S festlegen
können. Auch auf Landesebene dasselbe Problem das meine Juristen
mir ebenfalls auf Bundesebene immer wieder sagen. Bevor sie einen
Preis fixieren können, müssen sie vorerst ein Verfahren abwickeln.
Gratz selbst möchte überhaupt, dass diese ganze Angelegenheit still
und leise geregelt wird, denn seiner Meinung nach macht es keinen
guten Eindruck, wenn es immer heisst, in Wien streiken die Studenten,
dann werden die Preise ungerechtfertigt erhöht usw. Ich habe für
diese Meinung viel Verständnis. Scheinbar weniger aber der Präs.
des ÖGB.
Im Parlament besprach ich mit Heindl den Vorschlag vom Wiener Frem-
denverkehrsdirektor Krebs und unsrem Vertreter in der Hoteltreuhand
Rost über Errichtung eines Beirates für Tourismus im Handelsministerium.
Derzeit gibt es ein Kuratorium für Tourismus, wo die Handelskammer
aus der Arbeitsgemeinschaft für Tourismus, wo natürlich nur fast
lauter ÖVP-Kammervertreter agieren. Heindl ist auch der Meinung,
dass es notwendig ist, hier eine Änderung herbeizuführen. Ich habe
vorgeschlagen, man soll jetzt die Unzulänglichkeiten des Kuratoriums
bei verschiedenen Gelegenheiten aufzeigen. Insbesondere müssen doch
die sporadischen Vertreter unserer Seite, sei es von der Gewerkschaft,
von der Arbeiterkammer oder auch vom Ministerium sowie von einzelnen
Bundesländern, darauf hinweisen, dass diese und jene Aktivität
nicht den Intention aller im Fremdenverkehr Tätigen entspricht. Wenn
diese Unzulänglichkeit festgestellt ist, bin ich gerne bereit, um
eine entsprechende bessere Lösung zu erreichen, einen Beirat in
meinem Ministerium dann zu errichten. Wie kamen überein, dass ein
solcher nur dann Sinn und Zweck hat, wenn er von einer grösseren
Anzahl von Gruppen verlangt wird. Falls die Länder oder auch die
BHK strikte gegen eine solche Lösung sind, hätte ein solcher Beirat
nicht sehr viel Sinn. Vor allem kommt es darauf an, zu verhindern,
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dass man jetzt dann mir den Vorwurf macht, ich möchte die
Arbeitsgemeinschaft oder gar das Kuratorium, welches erst
vor einigen Jahren gegründet wurde, ausschalten, um mir
eine zentralistische Machtposition zu schaffen. In diesem
Fall wäre unsere ganze mühselige Aufbauarbeit, die wir bis
jetzt geleistet haben, zunichte gemacht. Wir haben im Fremden-
verkehr doch jetzt einen verhältnismässig grösseren Einfluss
als vor 1970 und niemand kann mir vorwerfen, dass ich zentrali-
stisch autoritär regiert und entschieden hätte. Eine solche Politik
kann nur auf Konsensprinzip aufgebaut sein.
Tagesprogramm, 30.6.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)