Samstag, 1. Oktober 1977
In der Möbes-Schule hatte ich diesmal wieder Gelegenheit den Be-
triebsrätekurs in einem 2 Stunden-Referat und Diskussion, die
schwierige Lage, in der wer uns befinden, auseinanderzusetzen.
Während ich in Staatsbürgerversammlungen doch nie genau weiss, wer
aller dort ist und in meiner Diktion zwar nichts falsches sage,
mich aber sehr vorsichtig ausdrücke, kann ich bei Konferenzen, wo
ich weiss dort sind nur Genossen, viel freimütiger sprechen. Die
Betriebsräte haben dann insbesondere ihre betrieblichen und örtlichen
Schwierigkeiten mit mir diskutiert. Immer wieder kommt die verständliche
Sorge durch, wie es in ihrem Betrieb weitergehen wird. Dies gilt
für die Stahlindustrie, für die chemische Industrie, insbesondere Glas,
aber auch Lenzing und für die Papierindustrie. Zwei Probleme sind es
die die Arbeiter und damit natürlich ihre Vertreter am meisten bewegen.
Das Hackerl und das Wagerl. Beschäftigung und doch ein gewisser Luxus,
den man sich früher nicht leisten konnte. Wenn die beiden in Ordnung
sind, dann kann uns wahrscheinlich kaum etwas passieren.
Beim Pressefrühstück mit Niederl informierte ich ihm über die Aussprache
mit Vizepräsidenten Haferkamp von der EG, insbesondere über die Tran-
sitroutenfinanzierung und über die ablehnenden Haltung bezüglich
sensiblen Produkte ...
kamen wir beide zur Übereinstimmung, dass es notwendig wäre ..
unbedingt zu verkürzen. Niederl hat dann bei seiner Ansprache dieses
Problem aufgegriffen und darauf hingewiesen ...
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte die seinerzeitigen Wünsche an das
Justizministerium, hier Abhilfe zu schaffen, wieder verstärken.
Bei der Messe-Ansprache von mir konnte ich einen so optimistischen
Grundton, wie ich ihn sonst immer zur Schau stelle, nicht mehr vor-
tragen. Trotzdem meinte ich auch einleitend, ein Pessimist hat es leichter.
trifft seine negative Vorhersage zu, so kann er sagen ich habe es schon
immer gesagt, trifft es aber nicht zu, dann kann er mit Recht behaupten,
seid froh, dass es nicht so schlecht geworden ist. Ich verwies insbe-
sondere auf Leistungen beim Aufschluss neuer Kohlenfelder, die Papier-
industrieförderung, jetzt die Ansiedlungsversuche von Teilproduktionen
für die Autoindustrie und andere positive Investitionsmassnahmen. Bei
der anschliessenden Pressekonferenz wurde ich natürlich primär gefragt,
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welche Massnahmen die Regierung jetzt zur Sanierung des Budgets und
Beseitigung der Zahlungsbilanzschwierigkeiten unternehmen würde. Da
ich kein Wort dazu sagte, wollte mich eine Journalistin fragen, was
mein Idealvorschlag wäre. Darauf antwortete ich natürlich noch viel
weniger. Die einzige Aussage, die ich bei dieser Frage machte, war,
es würde überraschend sein für die Spekulanten, die noch immer geglaubt
haben, wir werden abwerten .In den Nachrichten war ich dann ein wenig
überrascht zu hören, dass Staribacher grosse Überraschungen angekündigt
hat.
Bei der Staatsbürgerversammlung in Gratkorn, die der Betriebsratsobmann
von der Firma Leykam führte, konnte ich einmal mehr feststellen, dass
die auch dort grösstenteils anwesenden Genossen meinten, man soll mehr
zum Kauf österreichischer Waren anregen. Für PKW sollte man eine ge-
staffelte Steuer einführen, wie nach der Grösse des Autos, und Wasch-
maschinen seien kein gehobener Bedarf, weshalb man sie aus der Luxus-
steuer ausnehmen muss. Die Verkehrssituation kam in der Steiermark
immer wieder zur Diskussion und in Gratkorn natürlich die Fertig-
stellung der Pyhrn-Autobahn. Ich hatte vorher, obwohl er noch gar
nicht offen ist, doch die Baustelle besichtigt und das Tunnel durchfahren
Ich könnte mir vorstellen, dass sie sehr bald fertig sein wird. Offen
bleibt selbstverständlich die Führung des Autobahnastes durch Graz.
Die Grazer wünschen die Tunnelvariante, ein ungeheuer aufwendiger
parallel zur Normalstrasse führender, teilweise sogar längerer Autobahn-
ast, als wenn man in einen Strassenzug unter die Erde gehen würde.
Eine Brauerei bezieht vom Plabutsch ihr Wasser, weshalb sie jetzt
gegen diese Variante im Wasserrechtsverfahren Einspruch erhoben haben.
Bautenminister Moser sagte mir vor längerer Zeit schon, dass er damit
auf lange Sicht keine Entscheidung wird fällen können.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass Dir von der Brauerei den genauen Sach-
verhalt schildern.
Nach der Staatsbürgerversammlung besichtigte ich die Baustelle von
der Leykam-Papierfabrik. Das Milliarden Zelluloseprojekt ist jetzt in
vollem Ausbau. Weder Haffner noch ich haben uns vorgestellt, als wir
seinerzeit den Zinszuschuss genehmigten, dass ein so grosses Projekt
entstehen wird. In den Plänen und am Papier sieht alles ganz anders aus
als in der Wirklichkeit. Der Betriebsrat, Bürgermeister, aber auch der
Direktor, der uns führte, versicherten, wie dies auch in der Versammlung
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geschehen ist, dass es nur meine letzte Entscheidung gewesen ist,
die überhaupt dieses Projekt dann von allen die Zustimmung erreichte.
Jetzt sind 1.300 Bauarbeiter und Metallarbeiter, Monteure usw. beschäf-
tigt. Beim Spatenstich ist mir die Grösse dieser Anlage gar nicht so
zum Bewusstsein gekommen. Jetzt war ich selbst überrascht. Ich glaube,
dass es zweckmässig wäre, bei Veranstaltungen, die ich in den Bundes-
ländern habe, das eine oder andere im Ausbau befindliche Projekt wirklich
selbst auch zu besuchen. Dies gilt nicht zuletzt insbesondere für die
Aktivitäten als Oberste Bergbehörde. Ich bin mir vollkommen klar, dass
mein Beitrag sicherlich wichtig, aber nicht der ausschlaggebendste
gewesen ist. Vielleicht war es Zufall, dass ich als letzter entscheiden
musste und dann, obwohl es noch immer viel für und wieder gegeben hat,
diese Entscheidung verhältnismässig rasch getroffen habe. Damit liegt
allerdings die ganze Verantwortung, ob die Magnific-Produktion wirklich
so rentabel ist, um am Weltmarkt gegen die Sulfatzellstoffprojekte
konkurrenzieren zu können, auch bei mir.
Bei der Staatsbürgerversammlung in Kalsdorf sprach ich vorher mit Be-
triebsratsobmann Krubholz, der Angestellten von Lapp-Finze. Diese haben
grosse Schwierigkeiten und Sorgen wegen der zurückgehenden Aufträge für
Beschläge aus Jugoslawien. In der Schraubenproduktion haben sie mit
Brevillier und Urban versucht eine Produktionsabstimmung, damit nicht
beide dieselben Typen erzeugen und dadurch überhaupt nicht konkurrenz-
fähig sind. Der Schraubenmarkt ist vollkommen deroutiert, die Preise
unter jeden Selbstkosten. Lapp-Finze als CA Betrieb hat jetzt einen
Direktor vom CA-Betrieb Andritz bekommen und hofft, dass dieser eine
bessere Zusammenarbeit auch mit Andritz erreichen wird. Andritz ist
sehr gut ausgelastet und Lapp-Finze könnte hier Hilfestellung leisten.
Ich versprach den Betriebsrat mit Uher, CA, zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Uher verbinden.
In der dortigen Diskussion meldeten sich aus Graz einige junge Genossen,
die extra rausgefahren waren, um eine Atomkernkraftdiskussion zu
beginnen. Ich war darüber sehr froh. Die eingesessenen, alten Genossen
aber sehr unzufrieden. Ich hatte selbst grosse Mühe vom Vorsitz
aus, der Diskussionsleiter wollte nämlich genauso wie die unmutsäussernden
Zuhörer, sofort die Diskussion abwürgen. Seiner Meinung sollten nur
kurze Anfragen an den Minister gerichtet werden. Scheinbar alles nur
keine Kritik. Das erste Mal wurde ich auch in der Diskussion auf die
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Auseinandersetzung Kreisky-Veselsky hingewiesen. Wenn Veselsky eine
unpassende Bemerkung oder Behauptung gemacht hat, dann hätte ihn
Kreisky nicht so abkanzeln sollen. Auch Kreisky hat schon mit
seinen Äusserungen aus Mallorca, dass Kärnten teurer ist, Unruhe
gestiftet. In diesem Fall meinte der Diskussionsteilnehmer, hätte ich
müssen Kreisky einen Rüffel erteilen. Abgesehen davon, dass wenn zwei das:
selbe tun, es noch immer nicht dasselbe ist, halte ich die Diskussion
und den Streit innerhalb der Regierung als das schlechteste. Aus diesem
Grund habe ich auch, ohne dass ich es dort sagte, wegen der scheinbaren
schlechten Bundespolitik jetzt für die burgenländische Wahl doch ein
wenig Angst gehabt. Beruhigt war ich aber insofern, als die Arbeit von
Kery unvergleichlich gut war in den letzten Jahren. Unter vier Augen
hat mir sogar LH Niederl versichert, dass für Kery überhaupt keine
Gefahr besteht. Er selbst war auch in Südburgenland zur Wahlhilfe von
Soronics und hat feststellen müssen, dass dort das Argument der Bundes-
politik, die schlecht ist, überhaupt nicht ankommt. Das greift nicht,
war Niederl seine Aussage. Niederl konnte feststellen, dass selbst
bei ÖVP-Versammlungen seine eigenen Leute ihm sagten, dass Kery ein
guter Mann sei und dass man ihm sicherlich wird wieder wählen. Für mich
war dies eine gewisse Beruhigung, denn bei den eigenen Versammlungen
und Meinungsäusserungen unserer Genossen, kann man sich leicht irren.
Wenn der Gegner aber auch denselben Eindruck hat, dann ist dies schon eine
gewisse objektivere Darstellung. Niederl konnte sich überhaupt nicht
erklären, wie Bundesparteiobmann Taus in den letzten 14 Tagen diese
burgenländischen Landtagswahlen zu Testwahlen für die Bundesregierung
raufgejubelt hat. Niederl als erfahrener Politiker hätte dies nie getan
und Taus war daher, wer immer ihm diese Idee eingeredet hatte, oder
wenn sie von ihm selbst gekommen ist, sehr schlecht beraten. Morgen
werden wir alles wissen.
Tagesprogramm, 1.10.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)