Dienstag, 4. Oktober 1977
Die Pferdefleischhauerin HORN hat 56 Mill. S Umsatz und nur
300.000 S Gewinn, obwohl sie 120 Leute beschäftigt und gleichzeitig
20 kleine Fleischhauergeschäfte beliefert. Neben ihr gibt es
nur mehr den Fleischhauer Schuller, der nur die Notschlachtungen
von ganz Österreich aufkauft und verarbeitet. Im Viehverkehrs-
fonds besteht nun die Absicht, den 30-Groschen-Abschöpfungsbetrag
für Pferdefleisch auf 50 Groschen zu erhöhen. Für Lungenbraten muss
sie sowieso schon 5.– S bezahlen. Die Kommission ist der Ansicht,
da bei Rindfleisch, welches jetzt 1.000 $ kostet, was 20.– S
pro kg incl. der Transportkosten ergibt, mit 17.– S Abschöpfung
belegt wird. Pferdefleisch kostet 24 – 25.– S und verträgt nicht
mehr als die 30 Groschen. Ich habe sofort mit Blümel darüber
gesprochen, der erklärt, hauptsächlich sei es das Finanzminister,
Schultes, welcher einen höheren Betrag verlangt. Eine Rücksprache
mit Landwirtschaftsminister Haiden ergab, dass dieser sich in
das Kommissionsgeschehen nicht einmischen wird und will.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte prüfe mit Blümel, wie es weiter-
gehen soll.
Min.Rat Mock informiert mich, dass beim Verwaltungsgerichtshof
die Beschwerde von Henckel von Donnersmarck wegen seiner Schürf-
rechte im Südburgenland wahrscheinlich bei der mündlichen
Verhandlung auch die Bergbehörde gefragt wird. Er befürchtet,
dass die Unterbehörde dabei schlecht wegkommen wird, weil einzelne
Aktenvermerke vorliegen, die nicht gerichtlich einwandfrei sind.
Ich erkläre sofort, dass ich mich auf die rechtlichen Probleme
gar nicht einlasse, wenn ich gefragt werde, ausschliesslich die
Tatsache, dass laut seiner Information Henckel zu wenig, ja fast
gar nichts gemacht hat und deshalb sein Recht dort der Austro-Mineral
übertragen wurde.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass Dir den genauen Vorgang schildern.
Vor der Ministerratsvorbesprechung macht mich Lanc darauf aufmerksam,
dass in Österreich ein einziger Sturzhelmerzeuger in der Nä-
he Steyrs sei. Keine andere grössere chemische Fabrik hat sich
für diese ungeheure Absatzmöglichkeit interessiert. Die jetzt
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durch Verordnung festgelegte Sturzhelmpflicht gibt daher anderen
europäischen Firmen einmalige Exportchancen nach Österreich.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte einen genauen Bericht
vorlegen.
Eine Aussprache mit Lanc, Lausecker und Rösch wegen Erzeugung
österr. Motorräder für die öffentliche Hand sagt letzterer, er
hätte mit Puch und KTM diesbezüglich jahrelange Gespräche ge-
führt. Puch hat 1972 sogar einen Prototyp vorgelegt. Dann
aber auf die Ausführung verzichtet. Die in Österreich produzierten
Typen seien schnelle Sportmaschinen und daher nur sehr beschränkt
einsatzfähig.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte den Sachverhalt klären.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky darauf hingewiesen,
dass die Burgenland-Wahlen der Partei einen ungeheuren Auftrieb
gegeben hat. Dies konnte er auch bei den 1.300 Chemie-Linz-Arbeitern
feststellen. Letzte Woche seien 5,5 Mia. S Devisen abgegangen.
Die Banken hätten nicht dagegen gesteuert. Wäre in der OeNB nicht
Waldbrunner gewesen, Gott sei Dank sagte Kreisky, war er allein,
wäre es noch schlimmer geworden. Auf die Generaldirektoren und
Direktoren der OeNB kann man sich nicht verlassen. Bei den
Banken waren es nur einige Privatbanken, die an dieser Spekulation
nicht teilgenommen haben. Diese Kapitalflucht hatte man 1970
gefürchtet, als die soz. Regierung gewählt wurde, damals aber
hätte im Ockermüller versichert, dass er immer Milliarden bereit-
halten würde, um der Regierung beizuspringen. Dieser fehlt und niemand
hat daher gegen das Abwertungsgerücht irgendwie konkrete Schritte
unternommen. Die Währung, glaubt Kreisky, sollte in den nächsten
1 bis eineinhalb Jahren leichter nachlassen. 1 bis 2 Punkte, wie
das schon vor Jahren der Fall war und in Summe 5 % erreichen
wird, wie dies auch damals geschehen ist. Einzelne private Firmen
haben überhaupt ungeheure Termingeschäfte gemacht, wie z.B.
Semperit. Die Verluste daraus und die ganze Politik wird man den
Direktoren nicht durchgehen lassen. Die Erkenntnis aus dem Burgenland
war, dass es für diese grösste Parteiorganisation auch selbstver-
ständlich war, sich zur Bundespolitik zu bekennen. Deshalb auch der
Wahlsieg. Kreisky drückte das dann bei der Wiener Konferenz am
Abend so aus, zumindestens geschadet hat diese Politik der
Regierung Kerys und seiner Wahl nicht. Obenfeldner, Innsbruck,
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hat sich davon kritisiert, erklärte wenn man nur 15 Mandate erreicht,
legt er zurück, jetzt hat er nur 13 und in einem Interview mit
der Furche insbesondere die Politik Kreiskys kritisiert. Er, Kreisky,
hätte feststellen können, dass er bei der Bundesbahn-Versammlung in
Innsbruck besonders stürmisch begrüsst wurde, d.h. Obenfeldner nichts
erreicht hat. Die ÖVP-ler, die ihm Beifall klatschten für seinen Mut
gegen die Regierung zu sprechen, haben ihn nicht gewählt und die eige-
nen Leute waren darüber auch nicht zufrieden. In Krems hat Preiss
gut gearbeitet, NR Kriz ist sehr fleissig, über ihn wird aber geklagt.
Dies wird er mit Czettel besprechen müssen. Salfenauer, Bürgermeister
von Salzburg, ist ein sehr guter Bürgermeister und es ist vollkommen
unverdient, dass er ein Mandat verloren hat. Die Erkenntnis aus
Salzburg, wo Bürgerinitiativen auftreten, trifft dies immer die grossen
Parteien. Das Massnahmenpaket enthebt uns nicht der Sorgen.
Vom Familienlastenausgleichsfonds hätte Kreisky am liebsten 2 % genommen,
ursprünglich war nur 1/2 % vorgesehen und Kreisky hat verlangt, dass
mindestens 1 % genommen wird. Auch bei der Sozialversicherung
wollte Kreisky 1 % und nicht 1/2. Er glaubt, dass auch dies möglich
gewesen wäre. Die Produktion hat in Österreich grosse Schwierigkeiten.
Nicht nur bei Stahl und Aluminium, nicht nur die VÖEST, sondern
auch Sulzau-Werfen, d.h. die privaten. Wirklich verdient nur der
Handel und der wird jetzt nachlassen müssen. Dies gilt ganz
besonders für den Autohandel. Wenn die Wirtschaftspolitik nicht
erfolgreich ist und wir in die Rezession kommen, 100.000 Arbeits-
lose haben, dann die Sozialversicherungsbeiträge zurückgehen,
der 3. Mehrwertsteuersatz nichts bringt, wodurch zwar der Budget
nicht saniert, aber das Zahlungsbilanzdefizit dann nicht ver-
grössert wird. Man muss sich klar sein, jetzt gibt es eine defla-
tionistische Tendenz und der Binnenmarkt wird durch die Weltwirt-
schaftslage keinen Einfluss von aussenwirtschaftlichen positiven
Ergebnissen bekommen, deshalb muss man mit stimulierenden Massnahmen
die die Regierung setzen wird, rechnen. Kreisky sieht nach wie vor die
grosse Weltwirtschaftskrise, in der wir uns befinden. Er hätte auch
festgestellt, dass illoyale Beamte jetzt gemeint haben, zwei Jahre
sind noch Durchstrecke, und Weisungen ignoriert haben. Auch dies
dürfe man sich nicht gefallen lassen. IN Oberösterreich wird
Wenzl jetzt durch eine geschickteren Mann, nämlich Ratzenböck
ersetzt. Hartl glaubt, mit ihm wird er leichter auskommen, da
irrt er, er wird es nur in der Landesregierung vielleicht leichter
haben, aber die politischen Verhältnisse werden für die SPÖ schwerer.
Ratzenböck ist der Schwager vom Chefredakteur der OÖ. Nachrichten,
dieser hat bis jetzt zum Teil Wenzl bekämpft, die wirtschaftliche
und politische Situation ist daher noch sehr schwer. im Parlament
wird uns der Wahlsieg im Burgenland sehr helfen.
Der Verfassungsgerichtshofpräsident Antoniolli wird durch Melichar,
ein guter Katholik, ohne parteipolitische Bindung, ersetzt. Es ist
das erste Mal, dass ein Präsident bestellt wird, der nicht der
Bundesregierung politisch nahesteht. Eine Aussprache mit Melichar hat
ergeben, dass der Kreisky erklärt, die Verfassungsgerichtshofkrisen
hätte er als Student schaudernd miterlebt. Kreisky sieht darin eine
Garantie, dass eine Entscheidung wie 1934 nicht mehr kommt.
Der Atombericht kann erst im nächsten Jahr im Parlament behandelt
werden, Kreisky braucht unbedingt Zeit, um ihn sich selbst durchzu-
lesen. Wir sind nicht unter Zeitdruck, meint er, und die Regierung
ist ja bereits festgelegt.
Im Ministerrat stelle ich deshalb den Atombericht neuerdings zurück,
Kreisky begründet, warum Melichar sofort ernannt werden soll,
weil keine Vakanz im höchsten Gerichtshof auftreten soll. Melichar
ist seit 1958 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und sogar
ständiger Referent gewesen. Er bringt damit alle Voraussetzungen,
die Art. 47 der Bundesverfassung verlangt, mit.
Haiden teilt mir mit, dass er die Absicht hat, von den 400.000 t
Getreide, die er nicht braucht, 200.000 t den Polen zu leihen.
Da der Finanzminister nur bereit ist 800.– S, die Lagerspesen, die
sonst auflaufen würden, zu vergüten und damit die Stützung zu gering ist
er würde mindestens die doppelte Anzahl brauchen, möchte Haiden den
Verband ländlicher Genossenschaften und die Firma Mauthner dafür ge-
winnen, dass sie das Getreide liefern, er sich die Lagerspesen
hier erspart und die Polen, wenn der Weltmarktpreis entsprechend ge-
fallen ist oder aus ihrer eigenen Ernte ihm die 200.000 t nach einem
Jahre zurückgeben. Polen wird das sicherlich nicht können, da es auch
in einem Jahr dafür kein Geld haben wird. Ich betrachte das Ganze
als einen Naturalkredit, dessen Rückzahlungsmodalitäten mir nicht
einleuchten. An dem Export nämlich, um das überschüssige Getreide
loszuwerden, sind wir aber alle sehr interessiert.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Was sagt Mauthner zu einer solchen Transaktion,
Vielleicht weiss er einen besseren Weg.
Der neue Direktor Dr. Diem vom Aluminiumwerk Lend versichert mir,
dass in seinem Konzern Alusuisse das Presswerk, welches seiner-
zeit bei der Strompreissenkung mir versprochen wurde, nach wie
vor erste Priorität im Konzern hat. Nirgendwo anders wird ein Press-
werk errichtet werden als in Österreich. Derzeit sind alle welt-
weit schlecht ausgelastet, insbesondere auch das österreichische
in Lenzing. Wenn die SAG aus der Verlustzone kommt und die Press-
werkkapazitäten besser ausgelastet sind, wird sofort in Österreich
de versprochene Anlage errichtet. Der Bürgermeister und BRO Primig
beschwert sich, dass die 3–4.000 Bevölkerung umfassende Region
immer mehr verarmt. Durch Rationalisierung werden Arbeitsplätze
frei und 26 Gewerbebetriebe haben bereits in Lend ihre Geschäfte
geschlossen. Dam bestätigt mir auch, dass Aluminiumdosen-Produktion
in Österreich unrentabel ist, weil der Markt viel zu klein ist.
Er glaubt daher auch nicht, dass Ranshofen eine solche Produktion
aufnehmen könnte, selbst wenn ich jetzt nicht den Kampf gegen
die Einwegflaschen so herausgestrichen habe. Die Zeitungen haben
über diese Einwegflaschen-Aussprache ausführlich berichtet und die
Reaktion der Handelskammer vor allem der chemischen Industrie
ist ungeheuer. Mit Protesttelegrammen und sofortigen Aussprachen
hat diese Auseinandersetzung jetzt begonnen.
Direktor Walter und Pöchhacker berichten über die endlich durchge-
setzte Anerkennung ihrer Forderung im Iran für geleistete Bau-
arbeiten. 145 Mill. S aus der Gleitung wurden bereits bezahlt.
Die Erfahrung mit den Verhandlungen Österr. Kontrollbank, Castellez,
und Porr verlangt jetzt eine Änderung der Bestimmungen über Leistungs-
export. Die Porr AG will sich auch bei einem Intercontinental-Hotel
in Ungarn bewerben, das ein Mittelklasse-Hotel 30 Mill. S mit
400 Zimmern werden soll. Mit Gen.Dir Rosar, HungarHotels, werden
diesbezügliche Aussprachen erfolgen. Ich bin gerne bereit, die
Ungarn zu empfangen, um zu zeigen, dass wir ihren Wunsch ihre
Fremdenverkehrsmöglichkeiten zu verbessern, entsprechen. Die
Porr-Vertreter ersuchen mich, ich sollte mit der E-Wirtschaft
insbesondere Tauernkraftwerke sprechen, damit der Anschlussauftrag,
Kölnbreinsperre geht zu ende, Zillergründl muss jetzt endgültig aus-
geschrieben und zugeschlagen werden, auf die österr. Firmen ins-
besondere die eingefahrenen Bauarbeitsgemeinschaft Rücksicht nimmt.
Ein gutes System haben wir bei der DoKW, wo die Donaukraftwerke-
Anschlussaufträge sind, die verhältnismässig sehr preiswert
abgerechnet werden. Ich werde Gmeinhart anrufen, damit man ein
ähnliches System, welches Porr vorschlagen möchte für Sperrenbau
überprüft.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, ob dies geht.
Die Fiat-Einkaufsdelegation mit Dr. Bergiotti informiert mich,
dass die österr. Firmen gar nicht wissen, was sie alles dem
Fiat-Konzern verkaufen können. Jeder denkt nur an Autobestandteile,
in Wirklichkeit gibt es unzählige Möglichkeiten. Steyr-Daimler-
Puch hat ja mit Fiat ein gutes Verhältnis, von 816 Mill. S Import
wurden im vergangenen Jahr von Steyr-Daimler-Puch 400 Mill. expor-
tiert. Die entsprechenden Verhandlungen laufen wie Min.Rat Gröger mir
auch nachher bestätigt, sehr gut.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Für tavola rotonda in Como bitte endgültiges
Ergebnis zusammenstellen lassen.
Im Parteivorstand berichtet Kreisky nur wesentlich weniger konkret,
insbesondere die Angriffe wegen des Wahlverhaltens einzelner Ge-
nossen über den Sonntagswahlen. Nur andeutungsweise werden
die Personen, ohne ihre Namen zu nennen, gerügt und ganz besonders
natürlich Kery gedankt. Dann kommt die Mitteilung und Information
über das Massnahmenpaket. In der Diskussion meldet sich nur Früh-
bauer und fragt, ob alle Motorräder darunterfallen und warum man
den Personenkraftwagensteuertarif nicht gespalten hat. Sonst
wird das Referat zur Kenntnis genommen. Kreisky meinte dann noch,
er hätte eine Mitteilung zu machen, die ihm persönlich gar keine
Freude macht, aber das kommt eben in der Politik vor. Er hätte
das Rücktrittschreiben Veselskys angenommen. Diesem sei er dankbar
für die geleistete Arbeit für das Wirtschaftsprogramm. Er wird
jetzt im Klub wirken. Veselsky verabschiedete sich vom Partei-
vorstand, meinte, Kreisky legte Wert darauf, dass er als wirtschafts-
politischer Sprecher im Nationalrat wirken wird. Ich fragte an-
schliessend Klubobmann Fischer, wie dies zu verstehen sei. Fischer
meinte, im Präsidium hätte Kreisky mitgeteilt, dass Veselsky
von ihm verlangt hätte, er möge ihn als Generaldirektor von der
ÖIAG, Geist-Nachfolger, bestimmen. Dies hätte Geist abgelehnt und
gemeint, er könne sich vorstellen, dass Veselsky jetzt im Klub
entsprechend wirkt. Fischer ist sich auch im klaren, dass Veselsky
jetzt als wegen Gegensätzen mit dem Bundeskanzler zurückgetreten
kaum als grosser Sprecher momentan in Erscheinung treten kann.
Überhaupt fürchte ich, wird er im Parlament ebenfalls untergehen,
denn die anderen Wirtschaftssprecher werden sich nicht gefallen
lassen, dass er womöglich diese Stelle monopolisieren wird.
Kreisky erklärte dem Parteivorstand, dass er in Wirtschaftsfragen
eine Hilfe dringend nötig hat. Er muss die Eigentümerinteressen
der Verstaatlichten wahrnehmen, was in Wirklichkeit aber ungeheuer
viel Arbeit bedeutet.Die Verschmelzung der grossen Stahlbetriebe
ist erfolgt, jetzt gilt es aber die Probleme zu lösen. Die chemi-
schen und Ölgesellschaft, sprich ÖMV, müsste jetzt endgültig
in Angriff genommen werden. In Grossbritannien hätten die Arbeiter
wenig Interesse für die Verstaatlichung, weil man sich dort nicht
um die Arbeiter entsprechend gekümmert hat. Im ERP-Fonds gibt es
beschäftigungspolitische Aufgaben, die OECD untersteht ihm und auch
die Entwicklungshilfe. Ausserdem muss er in der ÖROK, die eine
planwirtschaftliche Einrichtung ist, siehe Aichfeld-Murboden, West-
steiermark usw. mit den einzelnen Ministerien eng kooperieren.
Deshalb hat er Prof. Nussbaumer vor längerer Zeit schon erprobt und
schlägt ihn als neuen Staatssekretär vor. Die jungen Ökonomen
werden vielleicht nicht sehr glücklich sein. Nussbaumer ist
politisch nicht gebunden, war in seiner Jugend einen Tag beim CV,
hat mit Androsch einige wirtschaftspolitische Probleme besprochen.
Kreisky erfüllt damit die Zusage, zwei Nicht-Sozialisten in der
Regierung zu haben. Nachdem Lütgendorf jetzt ausgeschieden ist,
der die Regierungspolitik vertreten hat, soll der zweite jetzt Nuss-
baumer sein. Suttner meldete sich und meinte, dass die Stimmung
bei den Vertrauenspersonen wegen der unpolitischen Regierungs-
mitglieder nicht sehr gut ist. Die Fragen, wieso die Sozial-
demokraten nicht genug Wirtschaftler haben, um eine solche Posi-
tion zu besetzen. Benya meinte, Nussbaumer hätte bei Betriebsrats-
schulungen sich als nüchtern, sachlich und sehr gut kooperierend
erwiesen. Die Optik nach aussen müsste man betrachten. Die Null-
Gruppe in der Regierung soll gleichbleiben. Die Wirtschaft könne
man nicht nach Dogmen führen. Hartl hat nur gemeint, er müsste
für OÖ einen berechtigten Anspruch auf einen Regierungssitz an-
melden. Kreisky sagte zum Schluss, ein Staatssekretär macht keine
Wirtschaftspolitik sondern hat ihn nur zu unterstützen. Der ober-
österreichische jugendliche Ökonom, auf den Hartl scheinbar
anspielte, komme dafür leider nicht in Frage. Ihn selbst be-
drückt auch sehr, dass Oberösterreich nicht vertreten ist, aber
die Regierungsbildung kann nicht nach Landsmannschaften erfolgen.
Der Beschluss Nussbaumer wurde dann einstimmig gefasst. Das
wirkliche Problem wird es meiner Meinung nach zwischen Bundes-
kanzleramt und Finanzministerium geben. Veselsky hat in seiner
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Tätigkeit in kürzester Zeit das Vertrauen, das er bei
Kreisky gehabt hat, dem er bei der Programmerstellung ungeheuer
geholfen hat, verloren. Kreisky kann mir nicht einreden, dass
er obwohl er mich damals gefragt hat, bevor er ihn berufen hat,
Veselsky nicht genau kannte. Monatelang hat er engstens vor der
Regierungsbildung mit ihm zusammengearbeitet. Der wirklich Gegen-
satz ist in meinen Augen dann gekommen, als Veselsky sicherlich
versucht hat, den Einfluss Androsch's auf Kreisky abzuschirmen.
Da der Bundeskanzler aber den Finanzminister viel dringender braucht
als irgend jemanden anderen, ist natürlich auch dann das geschickte
Verhalten in dieser Frage dann von Androsch das beginnende Ende von
Veselsky gewesen. Ich bin sehr gespannt, wie es jetzt zwischen
Nussbaumer und Androsch werden wird.
Die Wiener Konferenz verstärkt mit der soz. Fraktion des Gewerkschafts-
bundes war in ungeheurer Stimmung. Ständiger Applaus, Bravo-Rufe,
Pfui-Rufe, wenn über die Abwertungsgerüchte und Steuerflucht durch
die ÖVP gesprochen wurde, mit einem Wort eine Bombenstimmung.
Kreiskys Referat wurde ununterbrochen beklatscht, Benya dann in
seinem Schlusswort sehr gelöst, wie er überhaupt jetzt in letzter
Zeit als freier Redner ungeheuer gut wirkt, seine ganzen Hemmungen,
die er vor Jahrzehnten gehabt hat sind weg, er landet geschickte Gags:
"Um den Spekulanten in den unabhängigen Zeitungen, den ÖVP-Politikern,
die sich den Kopf zerbrechen, wie es jetzt in der SPÖ weitergehen wird,
zu helfen, als Gewerkschafter meinte er, wollen wir sie nicht
leiden sehen, erkläre ich ohne Auftrag, so wie 1970/71, 1975 wird
auch 1979 Kreisky den Wahlkampf führen und Bundeskanzler bleiben."
Frenetischer Beifall, da dies sicherlich die Meinung der gesamten
Partei ist und ein einziger verzweifelter Ruf: "G'sund bleiben".
Benya und Kreisky haben sich und dies ist das Glück für diese Partei
für die nächste Legislaturperiode beide schon über die Altersgrenze,
aber beide jetzt auf der Höhe ihrer Macht, liiert und damit eine
sichere Grundlage für den nächsten Sieg geschaffen.
Tagesprogramm, 4.10.1977
Tagesordnung 89. Ministerratssitzung, 4.10.1977
38_1148_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)