Mittwoch, 5. Oktober 1977
In der ÖGB Bundesfraktion berichtete Benya über das Paket. Seine
Begründung war primär, dass 1979 bei den Wahlen die Wirtschafts-
lage besser sein soll und zu diesem Zeitpunkt erst wieder Er-
leichterungen gemacht werden könnten. Jetzt müssten alle die
Belastung tragen. Kienzl erwiderte sofort, dass 1979 nach allen
Prognosemodellen und Aussagen der Internationalen Organisationen
erst das Konjunkturtief sein wird. Sekr. Millendorfer von den
Bauarbeitern und gleichzeitig Präsident des Hauptverbandes und
der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter, schnitt zum Sozial-
paket die Frage an, wer die Kredite zur Verfügung stellt, um insbe-
sondere die Sonderzahlungen der Pensionen finanziert. Bis jetzt
mussten die Anstalten stets einen Milliardenkredit dafür aufnehmen.
Gen.Dir. Flöttl von der BAWAG verlangte dafür eine Nichtanrechnung
dieser Kredite auf die Rimesse? Kienzl meinte, da müsste man
eben die Konsumkredite einschränken. Diese machen – so Flöttl – nur
100 Mio im Monat aus, spielen also gar keine Rolle. Benya hat mit
Recht dann sofort diese Diskussion abgebrochen, weil er meint,
wenn dies in die Öffentlichkeit kommt, heisst es sofort die Pensionen
seien gefährdet. In Wirklichkeit sei seit Jahren zu den Sonderauszah-
lungen immer entsprechende Kredittransaktionen notwendig gewesen,
da der Finanzminister niemals zeitgerecht die Bundeszuschüsse
überweisen konnte. Die Pensionsversicherungsanstalten – ob Arbeiter
oder Angestellte – haben riesige Bauvorhaben, die sie trotz der
kritischen Liquiditätssituation stets entsprechend dotieren, Die
Angestellten bauen ein neues Verwaltungsgebäude und die Arbeiter um
600 Mio. Schilling in Oberlaa eine Heilstätte. NR Teschl wollte
von mir wissen, ob ich das Antidumpingverfahren anwende. Ich er-
widerte sofort – wenn ich entsprechende stichfeste Anträge bekomme.
Teschl wollte von mir die Zusage, dass ich für eine taxe parafiscale
für die Papierindustrie oder eine ähnliche Regelung eintrete. Ich
habe ihm bei dieser Aussprache unter vier Augen gesagt, wenn die
rechtlichen Möglichkeiten die jetzt von Wanke und Meisl geprüft
werden eine ähnliche Regelung ergeben, wie wir sie bei den Stärke-
fabriken handhaben, dass ich, da die Papierindustrie in einer
äusserst schlechten Lage ist, dafür – die Voraussetzung allerdings
faür ist, dass die Sozialpartner einer solchen Regelung zustimmen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was haben die bisherigen Überlegungen unserer
GATT-Leute ergeben.
Im SPÖ-Klub hat Androsch über das Paket berichtet, Kreisky der
später kam, dann Benya zu seinem 65jährigen Geburtstag gratuliert.
Besonders hat er die Aufstiegsmöglichkeiten in der sozialistischen
Bewegung am Beispiel Benya's gezeigt. Vom Arbeiter zum höchsten Mann
des Parlaments und zum mächtigsten Mann der Gewerkschaft, seinem
guten Freund, mit der er jetzt gemeinsam immer alle Probleme be-
spricht. Veselsky wurde von ihm mit einem Satz verabschiedet und
gleichzeitig dann der neue Staatssekretär Nussbaumer vorgestellt.
Es gab weder über das lange Referat Androsch wegen des Paketes
noch auf die Ausführungen Kreisky's eine Diskussion. Im Klub
habe ich den Eindruck dass es dort natürlich die verschiedensten
Kritiken hinter vorgehaltener Hand gibt, dass aber niemand reden
will, vielleicht sich auch nicht getraut, diesmal mit der guten
Ausrede, dass ja sogar der Nichtparteigenosse Nussbaumer anwesend
war. Ich bin überzeugt, dass die Situation anders gewesen wäre,
hätten nicht die Burgenländer am Sonntag so gut gewählt um damit
vielen stillen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen.
Dass das Paket nicht so kritiklos hingenommen wird konnte ich bei
der ARBÖ-Vorstandssitzung bemerken. Broda, der Präsident des ARBÖ,
hatte mich eingeladen ein Referat zu halten. Selbstverständlich
habe ich nicht über die wirtschaftliche Lage, ja nicht einmal
über das Paket referiert, sondern primär nur über die Teile die
den ARBÖ, insbesondere natürlich über die Autobelastung interessiert.
Ich verwies dann darauf, dass es auch ARBÖ Mitgliedern und Funktionä-
ren gelungen ist, die härtesten Bestimmungen aus dem 2. Abgabenänderungs-
gesetz herauszubringen. Die ursprüngliche Idee die Kraftfahrzeugpau-
schale bis 20 km abzuschaffen, dass dann verbleibende Kilometergeld
nicht in voller Höhe, sondern nur zur Hälfte steuerfrei zu lassen,
dass vollkommene streichen der Betriebsausgaben inkl. Anschaffungen
von allen Firmenautos, sind in Wirklichkeit gigantische Leistungen,
die natürlich sehr schwer in der Öffentlichkeit zu erklären sind.
In der Diskussion meinten nämlich einige, man solle auch diese Punkte
nicht die Propaganda aufbauen. Andere meinte, man solle überhaupt
die Belastungen des Autos ablehnen. Durch Bonus-Malus-Regelung und
jetzt noch durch die heraufkommende Autofahrerbelastung treten
150–200 Mitglieder pro Tag aus. In Summe erwartet Gen.Sekr. Effen-
berger 3000 bis 4000 Mitgliederverlust. Broda und auch Rösch mussten
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mit aller Deutlichkeit sagen, dass sie es nicht verantworten
könnten – eher ihre Funktion zurücklegen – als jetzt gegen die
Regierungsmassnahme stimmen und dadurch sich der ÖVP Argumen-
tation anzuschliessen. Viele Vorschläge – und auch ich habe mich
diesen angeschlossen – gingen dahin, man soll darauf verweisen,
dass jetzt noch Besprechungen mit dem Handelsministerium statt-
finden. Diese beziehen sich zwar nur auf die erhöhten Reparatur-
und Ersatzteilpreise, sowie über den Versuch im nächsten Jahr die
volle Belastung nicht auf den Käufer zu überwälzen. Dazu werde ich
auch den ÖAMTC einladen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass
jetzt die dringendsten Autokäufe – ohne dass man sich das Modell,
ja in vielen Fällen nicht einmal die Marke wird aussuchen können –
befriedigt werden und wir daher heuer auf 260.000 Stk. Import-
autos kommen. Im nächsten Jahr muss dann in den ersten Monaten
die Nachfrage sehr stark nachlassen. In diesem Fall werden die
Autohändler entsprechende Rabatte geben müssen, da sie ja die von
den Werken zu übernehmenden Wagen unbedingt verkaufen müssen
und nicht alle auf Lager legen können. Wichtig erscheint mir nur –
und dieser Meinung ist auch Effenberger und der Anwalt des ARBÖ
Schachter – den ÖAMTC irgendwie einzubinden. Er wird natürlich
trotzdem aus allen Rohren gegen das Paket schiessen, vielleicht
aber durch die guten Beziehungen des Gen.Sekr. Veith zu mir – zu-
mindestens bei den Ersatzteilpreisen – Verhandlungen mitmachen. In
der Abstimmung wurde gegen eine Stimme – Migschl – diese Vorgangs-
weise angenommen. Überzeugt aber waren die westlichen Bundesländer-
vertreter kaum. Interessant, überall dort wo wir die Sonntags-
wahlen verloren haben – auch in NÖ – herrschte eine radikalere
Stimmung. Dies mag ein reiner Zufall sein, im Prinzip aber ist es
mir erklärlich. Gewonnene Wahlen befriedigen unsere Funktionäre,
verlorene radikalisieren.
Diese Feststellung musste ich auch bei den Diskussionsredner zur
Kreisky -Erklärung feststellen. Da die Burgenlandwahlen alles über-
schatteten, war die Diskussion entsprechend von diesen stark be-
einflusst. Unsere Redner konnten mit dem Gefühl, die burgenländi-
sche Bevölkerung hat gewusst, was jetzt kommt und trotzdem Kreisky ge-
wählt, leichter argumentieren als die ÖVP und insbesondere die FPÖ,
die natürlich immer insbesondere Kreisky und Androsch angriffen,
weil diese in der Vergangenheit entweder wie Kreisky erklärt haben
8 Mia. Schilling Defizit sei Wahnsinn und nicht zu verantworten,
oder Androsch, es wird keine Belastung mehr geben, wenn nicht die
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Situation sich wesentlich ändert usw. Dass diese erste Sitzung
bis spät in die Nacht dauerte, war deshalb nicht verwunderlich.
In der zweiten Sitzung wurde dann nur mehr zugewiesen und bei den
Befristungsantrag der SPÖ hat es dann überhaupt keine Debatte
mehr gegeben. Von der Abstimmungssituation her hätte ich ohne
weiteres nach Paris fahren könne. Klubobmann Fischer hat in der
Vorstandssitzung des Klubs dieses Problem sogar erörtert. Firnberg
ist dafür eingetreten, dass ich unbedingt wegen der Wichtigkeit nach
Paris fliegen sollte. Die anderen aber waren der Meinung, dass
der Wirtschaftsminister bei dieser Debatte anwesend sein muss,
obwohl alle wussten ich werde sowieso nicht angegriffen und daher
sicherlich auch nicht das Wort ergreifen. Da der Bundeskammerpräs.
Sallinger frühzeitig aus Rumänien zurückkam, in der Debatte sogar
das Wort ergriff, war mir klar, dass eine Paarung mit mir nicht
möglich ist und ich daher keinesfalls zur ÖVP sudern gehe, oder,
wie Heinz Fischer sogar meinte, mit der FPÖ geredet werden sollte,
damit ein anderer sich mit paart. Dies ist mir die Reise nach Paris
nicht wert und die Verhandlungen im Rahmen der Internationalen
Energieagentur waren auch nicht so entscheidend, dass ich unbedingt
anwesend sein müsste. Semperit, Lodgman, und der Verkäufer für
Auslandsgeschäfte hat mich ersucht dafür einzutreten, dass im
Zollmerkverkehr Semperitreifen wieder stärker, insbesondere nach
Deutschland exportiert werden können. Durch den Zollunterschied,
Autos 30%, Reifen wie bisher 18%, ergibt sich bei Änderung der
umsatzsteuergesetzlichen Vorschriften jetzt wieder eine gute Mög-
lichkeit für Semperit. Der Anteil für Erstausstattung ist im Jahre 73
80% gewesen und jetzt auf 36% zurückgegangen. Bei LKW beträgt er
65 und bei Traktoren 80%. Ich versprach mich beim Finanzministerium
für diese Änderung einzusetzen, dass auch bei PKW die Erstaus-
stattung wieder zunimmt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die entsprechenden Verhandlungen auf-
nehmen.
Kreisky fragte mich, ob ich mich erinnern könnte, dass Veselsky
gegen die Regierungswirtschaftspolitik bei Vorbesprechungen Stellung
genommen hätte und was Veselsky jetzt in der Arbeiterkammer machen
wird. Klubobmann Fischer wieder musste Veselsky davon überzeugen,
dass es doch nicht zweckmässig wäre, wenn er jetzt gleich das Wort
ergreift, um wie Veselsky glaubt als Wirtschaftssprecher in Er-
scheinung treten zu müssen. Veselsky hat natürlich in den Vorbe-
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sprechungen kaum Kritik geübt, denn am Anfang glaubte er ja
immer noch das Vertrauen Kreisky's in jeder Beziehung zu haben.
Seine langwierigen Ausführungen in den 70er Jahren hat Kreisky
dann ja sehr bald mit verständlicher Ungeduld abgebrochen. In den
letzten Jahren konnte dann Veselsky kaum eine Bemerkung machen,
ohne dass Kreisky nicht sofort meinte, dies gehört nicht hier her,
das besprechen wir ein anderes mal usw. Kritik hat er nicht geübt,
weil er gar nicht zum Reden gekommen ist. Als Sprecher für die
Wirtschaft wird er, wenn er auf diese Sonderstellung hinweist –
und dies wird er sicherlich tun – sehr bald mit vielen Klubkollegen
in Konflikt kommen. Veselsky müsste doch erkenne, dass dieses Hin-
weisen auf seine besondere Funktion im Parlament nichts anderes
war als eine Ausrede, oder wenn man so will, ein Feigenblatt für
seinen Abgang.
Der neue Staatssekretär Nussbaumer ist dann zur zweiten Sitzung
für mich und viele überraschend im Plenum erschienen. Da er nicht
genau wusste, wo er sich hinsetzen sollte, hat ihm die ÖVP gleich
mit entsprechenden Zwischenrufen empfangen. Dadurch war er natürlich
sehr konsterniert und hat sich dann auf einen falschen Platz ge-
setzt, weil ihn auch niemand eingewiesen hat. Ich ging sofort auf
die Regierungsbank da er in meiner Nähe sitzen wird und erklärte
ihm die Situation und tröstete ihn, dass dies zwar ein wirklich
Primitivargument gegen ihn ist und eine Entgleisung der Opposition,
dass er sich aber trösten soll, mir geht es auch manchmal nicht
anders. Ich sagte ihm das Beispiel von Gen.Sekr. Lanner, der mir
vorwarf, dass ich anstelle im Parlament beim Integrationsbericht
auf der Regierungsbank zu sitzen, mit Ministern essen gegangen bin.
In Wirklichkeit war zu diesem Zeitpunkt gerade eine EFTA Minister-
tagung im Handelsministerium. Für mich ist es ganz klar, dass Nuss-
baumer von der ÖVP, die ihn ja bis jetzt als einen Fachmann ihrer
Gruppe in verschiedene Stellungen gebracht und delegiert hat, er
als Renegat behandelt wird. Ich möchte mir nicht ausmalen, was unsere
Fraktion und Klub machen würde, wenn bei einer ÖVP Regierung so etwas
passieren würde. Aus menschlichen Erwägungen habe ich mich aber, sowie
ich dies immer bei allen Ministerkollegen gemacht habe, ihn versucht
zu helfen. Unwahrscheinlich war dann die Reaktion unserer Klubmit-
glieder, die, soweit sie mit mir dann sprachen erklären, du bist
ein feiner Kerl, du hilfst einem jeden.
Tagesprogramm, 5.10.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)