Mittwoch, 17. Mai 1978
Beim Unterausschuss des Handelsausschusses wurden die
26 Gruppen der Atomgegner gehört. Es wurden die verschiedensten
Ansichten neuerdings geäussert. Interessant war nur, wie die ÖVP,
Dr. König und vereinzelt auch Dr. Hubinek versuchte, den Kernkraft-
werksgegnern teilweise nach den Mund zu reden, um diese nicht allzu
sehr zu verärgern. Symptomatisch für mich war es, dass ein Atom-
gegner zur FPÖ vor der Sitzung ging und Stix und Scrinzi attackier-
te, was höre ich, ihr seid auch jetzt für das Atomkraftwerk. Was
diese natürlich sofort verneinten. In der Diskussion wurden sie
dann auch hart attackiert und gefragt, wie sie sich jetzt kon-
kret zu dieser und jener Frage stellten. Da zeigte sich für
mich erstmalig, dass sie nicht mehr ganz konkrete klare Antworten
bezüglich der Ablehnung von Atomkraftwerken gaben. Es dürfte
tatsächlich innerhalb der FPÖ grosse interne Diskussionen geben.
Manchmal gab es sehr harte Auseinandersetzungen, insbesondere
mit Abg. Wille. Dieser hat immer geduldig alle Ausführungen ange-
hört und als er selbst das Wort ergriff, wurde sofort hämisch
gelacht und, wie er richtig feststellte, bevor er überhaupt
noch den Satz beendet hatte. Welcher Bedeutung man dieser Enquete
von seitens der Atomkraftwerksgegner im Parlament diesem Hearing
beimass, war für mich typisch, dass Prof. Lorenz knapp vor Ende
der Diskussion, um 5 Uhr kam. Er entschuldigte sich, dass er bei
einer anderen Sitzung war. In Wirklichkeit konnte ich dann in
Erfahrung bringen, war er bei einer Antikernkraftveranstaltung von
Frau Schmitz. Irgendeine nebulose Veranstaltung war ihm wichtiger
als vor dem Parlament, dem zuständigen Ausschuss, der letzten
Endes für die Kernkraftgegner doch meiner Meinung nach die wich-
tigste Plattform wäre, zu erscheinen. Ein in Deutschland wirkender
österreichischer Kernkraftwerksgegner, Soyka, meinte, er werde
in Deutschland berichten, wie hier demokratisch dieses Problem
behandelt wird, ausserdem stellte er fest, dass die Kernkraft-
werkbauer und Betreiber die österreichische Demokratie fürchten,
weil diese so streng wie keine andere Bürokratie ist. Prof. Lorenz
wieder meinte, Kreisky als Bundeskanzler, den er sehr schätzt,
wird die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes nicht genehmigen.
Dipl.Ing. Nowak dagegen, der die Kernfusion glaubt erfunden zu
haben, von den Fachleuten aber nicht anerkannt wird, meinte, die
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Einzigen die geschützt sind, ist die Bundesregierung, denn
die würde sofort vom Innenministerium mit Hubschrauber das
Weite suchen. Natürlich gab es ständig Applaus, wenn ein Atom-
gegner seine Ausführungen beendet hat. Das Ganze war mehr eine
Zirkusveranstaltung als eine parlamentarische Enquete. Der
Anwalt Zörnlaib hielt ein 3/4-Stunden-Plädoyer teils wie ein
Schmierenkomödiant, teils auf einem Niveau wie vor dem Bezirks-
gericht, um seinen Klienten zu zeigen, wie er sich sein Anwalts-
honorar verdient. Bizani ?? wieder meinte zum Schluss, er hoffe,
dass sich die Verantwortlichen über die Inbetriebnahme des Kern-
kraftwerkes nicht bei einem biologischen Nürnberger Prozess
finden werden. Mit diesem Hearing ist die Tätigkeit des Unter-
ausschusses jetzt abgeschlossen und ein Redaktionskomitee
bestehend aus den Energiesprechern und, wie die FPÖ verlangt,
nur je einem Sekretär der Klubs, sollte eine Formulierung für
die Entschliessung finden. Den Wunsch Dr. Heindls, Prof. Grümm zu-
zuziehen, lehnte sie glattweg ab. Ich vermittelte und schlug vor,
Grümm anstelle von dem sozialistischen Klubangestellten zu nehmen.
Dagegen konnte die FPÖ kaum etwas unternehmen und Grümm meinte,
er müsse aber deswegen nicht seine Farbe wechseln. Sehr viel wird
jetzt von der Formulierung der Entschliessung abhängen. Heindl
hat mit mir seine Vorschläge am Pfingstmontag besprochen und
von diesen war auch Klubobmann Fischer begeistert. Heindl muss es
jetzt nur noch gelingen, sie, zumindestens bei der ÖVP, durch-
zubringen. Die FPÖ glaube ich, wird an ihrem prinzipiellen Nein
festhalten.
Abg. Wiesinger habe ich den Schriftverkehr über den Cogema-
Vertrag persönlich überreicht. Er war über den Umfang einiger-
massen erstaunt. Ich erklärte ihm, dass die Formulierungen, die
jetzt auch schon wieder monatelang zurückliegen, von mir bei
den persönlichen Aussprachen mit anderen Worten dargelegt werden.
Was ich mit dieser Aussage bei Wiesinger erreichen wollte, war,
dass er mir nicht dann einmal bei einer Plenumsdebatte irgendein
persönliches Zitat vorhält. Wiesinger meinte, dies sei selbstver-
ständlich, denn auch Erkenntnisse können sich im Laufe der Zeit än-
dern. Einmal mehr kann ich feststellen, dass die ganze Angriffs-
richtung der ÖVP sich gegen Leodolter richtet. Mich schont man
oder man lässt mich zumindestens links liegen.
Im Handelsausschuss und schon vorher in der Fraktion konnte
ich bezüglich der Wirtschaftsgesetze, die nicht das Marktord-
nungsgesetz umfassen, die ja im Landwirtschaftsausschuss resp.
Unterausschuss verhandelt werden, meine Vorgangsweise durch-
setzen. Da die ÖVP Wert darauf legt, am 23. Mai im Plenum alle
Wirtschaftsgesetze zu verhandeln, war es ganz unmöglich einen
Unterausschuss einzusetzen, wie dann insbesondere im Ausschuss
Abg. Stix immer wieder verlangte. Die ÖVP hoffte allen Ernstes,
dass wir infolge Zeitmangels die Wirtschaftsgesetze telles quelles
verlängern. Ich hatte Mussil klar und deutlich auseinanderge-
setzt, dass dies den sozialistischen Abgeordneten doch nicht
zuzumuten sei. Diese hatten, um den Zeitplan der ÖVP überhaupt zu
retten, Initiativanträge eingebracht. Den Vorwurf der ÖVP, als
Handelsminister hätte ich mich zeitgerecht um die Verlängerung
kümmern müssen, konnte ich deshalb mit Recht zurückweisen,
weil ich ja zeitgerecht Entwürfe in die Begutachtung geschickt
habe. Ich bin auch derzeit nicht unter Zeitdruck, denn die Gesetze
müssen nicht am 23. Mai im Plenum beschlossen werden, sondern so
zeitgerecht, dass sie am 1. Juli in Kraft treten können. Vor-
sitzender des Handelsausschusses Staudinger versicherte mir auch,
er hätte Gen.Sekr. Mussil klar und deutlich gesagt, dass hier
ein Kompromiss gesucht werden muss. Mussil selbst, der auch mit
dem jetzt mit seinen Beamten ausgehandelten Schrottlenkungsgesetz
und Versorgungssicherungsgesetz einverstanden ist, hat, glaube ich,
nur grosse Angst, wenn die FPÖ dann im Plenum diese Sozialpartner-
lösung attackieren wird. Natürlich ist Abg. Stix, aber auch sicher-
lich Klubobmann Peter sehr gegen die vereinbarten Gesetzestexte,
weil sie eben nicht dabei mitgewirkt haben. Andererseits hat
Stix wieder erklärt, er ist z.B. an den Sparmassnahmen, die durch
die Dampfkesselregelung im Energiesicherungsgesetz getroffen werden
soll, sehr interessiert. Dies lehnt aber Mussil, jetzt bereits in
ein Gesetz aufzunehmen, entschieden ab, weil er erst mit seinen
Leuten, d.h. den Handelskammern entsprechende Gespräche darüber
führen will und muss. Überhaupt dürfte Mussil von der öffentlichen
Diskussion über die Entstehung dieser Gesetze, über die Koppelung
mit den Landwirtschaftsgesetzen innerhalb seiner Gruppen mehr
Angst haben als von den materiellen Inhalt der zu ändernden Ge-
setze.
Eine Aussprache mit Kreisky, Benya, Kammerpräsident Czettel,
Hofstetter, Zöllner, Dr. Schmidt und Blaha ergab, dass insbe-
sondere Benya, aber auch Kreisky auf dem Standpunkt stehen,
wenn die ÖVP jetzt innerhalb des Handelsausschusses nicht ver-
handeln will, dann sollen die Initiativanträge der Sozialisten
am 23. ins Plenum kommen und dort von der ÖVP abgelehnt werden,
wodurch allerdings die Gesetze alle auslaufen würden. Ich sollte
mit Mussil noch entsprechende Verhandlungen führen. Kreisky meinte
nur, wir haben es nicht eilig und man müsse eventuell mit einem
Auslaufen der Gesetze rechnen. Benya als Präsident des National-
rates hatte, wie die ÖVP wünschte, auf die Tagesordnung der
nächsten Plenumssitzung am 23.5. alle Wirtschaftsgesetze gesetzt.
Über die Marktordnungen hat mir Landwirtschaftsminister Haiden
mitgeteilt, sind sie über den Gesetzestext vollkommen einig. Die
einzig offene Frage ist noch die materielle Bedeckung, worüber
Donnerstag mit dem Finanzminister verhandelt wird. Donnerstag
Nachmittag soll dann der Landwirtschaftsausschuss endgültig be-
schliessen. Dr. Schmidt, ÖGB, meinte mir gegenüber, in der Land-
wirtschaft sei es deshalb so schwer gewesen, weil jede neue Idee,
die vom Entwurf des Landwirtschaftsministers abgewichen ist,
mühsamst formuliert werden musste. Bei den Preisgesetz z.B. aber
seien ja die Formulierungen vollkommen klar und es sei nur ent-
scheiden, ob man diese oder jene Bestimmung aufnimmt oder nicht
aufnimmt. So überzeugt bin ich zwar auch nicht, doch gebe ich zu,
wenn Mussil ein Kompromiss will, dann können wir in den einzelnen
Bestimmungen sicherlich sehr schnell eine Formulierung vereinbaren.
Ich bin allerdings nicht ganz sicher, ob er dies wirklich will,
ob er innerhalb seiner eigenen Reihen sich durchsetzen kann und
will, ob er nur pokert, um vielleicht doch nur die unveränderte
Verlängerung durchzusetzen und dadurch riskiert, tatsächlich ein
Auslaufen dieser Gesetze zu verursachen. Dieser ewigen Poker-
spiele bei den Wirtschaftsgesetzen bin ich mit der Zeit auch schon
müde. Dies entspricht wirklich so gar nicht meinem Verhandlungsstil.
Direktor Schützelhofer von der BBU kam mit dem Kammeramtsdirektor
der Arbeiterkammer Klagenfurt und zwei weiteren Genossen, um
bei mir zu intervenieren, damit wir uns mit der Bleiberger Berg-
werks-Union und deren Wünsche bezüglich der Strompreise eingehend
beschäftigen sollten. Er wollte keine Erklärung von mir, ausser
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dass wir uns ernstlich mit dieser Frage auseinandersetzen.
Er hat diesbezüglich auch einen Brief an Bundeskanzler Kreisky
als Eigenzumsvertreter der BBU geschickt. Ich versicherte ihm,
dass selbstverständlich wir eine Lösung anstreben wollen.
SChef Frank, der sich dann im Detail auch noch mit der Delegation
unterhielt, wird einen diesbezüglichen Lösungsversuch starten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche von der Verbund zu erfahren, wo
ein Kompromiss liegen könnte.
Im Parteivorstand wurde der vorgelegte, revidierte Programm-
entwurf besprochen. Zentralsekretär Blecha hatte die undankbare
Aufgabe, über 1.100 Abänderungsanträge zu verarbeiten. Kreisky hat
wirklich im letzten Moment, knapp während der Drucklegung, immer
wieder aus Mallorca noch Formulierungswünsche gehabt. Auch jetzt
ergab sich manchmal eine gespannte Diskussion, insbesondere
zwischen Ländervertretern und Kreisky, wegen Formulierungswünschen.
Kreisky wollte über alle Fragen, dass im Plenum eine umfangreiche
Diskussion stattfinden soll. Um dies zu ermöglichen, wurde anstelle
der 10 Gastdelegierten, 11 Gastdelegierte beschlossen, um allen
Programmgestaltern, insbesondere den Jungen am Parteitag ihre
Meinung darlegen zu können. Interessant für mich war wirklich nur,
dass der Gewerkschaftsbund resp. die Gewerkschaftsvertreter sich
sehr wenig eigentlich bei dieser Programmdiskussion engagierten.
Einerseits besteht dafür scheinbar kein besonderes Animo, ande-
rerseits aber wird der Gewerkschaftsbund im nächsten Jahr auf
seinem Kongress sowieso auch seine Programme irgendwie darlegen
müssen.
Eine weitere Frage, die im Parteivorstand besprochen wurde, ist die
Abschaffung der Altersklausel. Ein Rumhören, besser gesagt, Rum-
fragen in den Landesorganisationen ergab, dass Vorarlberg, Tirol,
Salzburg und Burgenland sich für die Abschaffung aussprachen,
während Kärnten dagegen war. Steiermark, Niederösterreich und
Oberösterreich waren noch offen und Wien meinte, darüber könnte
nur eine Delegiertenkonferenz entscheiden. Benya bemerkte, mit
2/3-Mehrheit wurde dies seinerzeit beschlossen und könnte daher
auch nur mit so einer grossen Mehrheit wieder abgeschafft werden.
Man einigte sich daher darauf, dass jetzt die Diskussion über dieses
Problem in den Organisationen durchgeführt werden soll und der
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Parteivorstand daher die diesbezüglichen Anträge zum jetzigen
Parteitag zugewiesen bekommen soll.
Die Multi-Media-Show mit Beteiligung auch von Künstlern wie
Mendt, Schmidinger, Dvorak, Reinke, Muliar war sehr eindrucks-
voll, nur halt ein bisschen sehr lange. Ohne Pause dauerte es fast
3 Stunden. Anfangs herrschte eine riesen Stimmung in der grossen
Stadthalle. Zur Schlussansprache Kreisky's waren aber dann alle
schon verhältnismässig sehr müde. Sicherlich aber ein sehr impo-
santer und eindrucksvoller Beginn des Parteitages.
Tagesprogramm, 17.5.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)