Möntag, 26. Juni 1978
Beim Jour-fixe mit der Handelskammer versuchte ich klarzustellen,
wie weit diese in der Frage Volksabstimmung über die Inbetrieb-
nahme des Kernkraftwerkes auf Sozialpartnerebene ein Konsens
erzielt werden könnte. Da sowohl die Industriellenvereinigung
als auch die Handelskammer sich immer positiv zur Inbetrieb-
nahme des Kernkraftwerkes ausgesprochen haben, wäre es theoretisch
möglich, die Sozialpartner zu einem Konsens über diese Frage
zu bekommen. Sallinger und Mussil erklärten dezidiert neuerdings,
dass sie für die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf
sind, dass die Handelskammer auch diese ihre Stellungnahme
nicht ändern wird, dass sie aber in keiner wie immer gearteten
Form offiziell und öffentlich gegen ihre Partei auftreten können.
Dafür müsste auch ich Verständnis haben. Die nächsten Skiwelt-
meisterschaften würden 1980 in Amerika, Lake Placid stattfinden.
Die kleine Stadt hat überhaupt keine Infrastruktur. Die amerika-
nische Regierung ist, glaube ich, auch ausserstande, eine solche
zu schaffen. Ein neues Gefängnis wird jetzt extra gebaut, die
Teilnehmer werden in den Zellen 4 x 2.40 Meter ohne Fenster,
nur mit einem Lichtband untergebracht. Als Kommunikationszentrum
möchte die Handelskammer ein Österreich-Haus um 10 Mio Schilling
bauen. Nach dem Wettbewerb muss dieses Haus weggerissen werden
oder verschenkt werden. Der Abtransport käme zu teuer. Eine Miete
in einem neu zu bauendem Wohnhaus für 2 Zimmer würde 4,5 Mio
Schilling kosten und völlig unzulänglich sein. Sallinger wollte
zwar von mir eine sofortige Entscheidung, d.h. Zustimmung für
diesen Bau des Österreich-Hauses aus Exportförderungsmitteln, ich
erklärte aber, dass ich vorher mit Sinowatz diesbezügliche Ge-
spräche führen müsste.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, was das Unterrichtsministerium
dazu sagt.
Bezüglich der Milch-und Getreidepreisverhandlung habe ich mit
Mussil und Sallinger dann Detailverhandlungen geführt. Die Handels-
kammer ist strikt gegen eine weitere Erhöhung des Trinkmilch-
preises über 40 Groschen. Sie befürchtet durch die Erhöhung der
Differenz zwischen Ab-Hof-Verkaufspreis und Verbraucherpreis in
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den Kleinhandels- resp. Milchsondergeschäften der Ab-Hof-
Verkauf immer stärker wird. Ich ersuchte Mussil mit Sallinger
zu reden, damit dieser auch den Bauernbundvertretern, insbe-
sondere Minkowitsch klarmacht, dass daher mehr wie 40 Groschen
auch vom Standpunkt der Handelskammer der Trinkmilchverbraucher-
preis nicht erhöht werden kann. Die Handelskammer wird im
Rahmen des Milchwirtschaftsfonds jetzt sofort die Bedeckungs-
rechnung mit Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund sowie
Landwirtschaftskammer beginnen. Die notwendigen Verbraucher-
preisansätze müssen durchgerechnet werden. Die anderen
Produkte, ausser Trinkmilch, muss alles in der Paritätischen
Kommission beschlossen werden, sollen auch nach Meinung der
Handelskammer unverzüglich in Angriff genommen werden. Die Handels-
kammer möchte auch mit 1.7. das ganze Paket in Kraft setzen.
Gegebenenfalls müssten in der Preiskommission resp. in der
Paritätischen Kommission als Unterausschuss die wichtigsten
Verbraucherpreise unverzüglich in Kraft gesetzt werden, die
Durchrechnung für den Handel-und Erzeugerbetrieb könnte dann
nach einigen Tagen nachfolgen. Mussil hat ganz besonders Angst,
dass im nächsten Jahr die Erzeugerpreise neuerdings erhöht
werden, ohne dass es zu einer Durchrechnung auch die Ver-
braucherpreise kommt. Da im Oktober des nächsten Jahres National-
ratswahlen sind, meint er, es würden dann zwar die Bauern
sofort neuerdings sich durchsetzen können, die Händler und
Betriebe aber wieder auf der Strecke bleiben. Ich versicherte
ihm, dass dies nicht von mir beabsichtigt ist und ich alles
unternehmen werde, was in meinen Kräften steht, um, wenn es zu
einer Erzeugerpreiserhöhung kommt, diese auch durchgerechnet
werden müsse.
Farnleitner teilte mir auch mit, dass die Arbeiterkammer
einen Löschungsantrag bezüglich Bierkartell gestellt hat.
In Vorbesprechungen gelang es jetzt insoferne eine Einigung
zu erzielen, als dieser Löschungsantrag heuer doch nicht kommt,
weil bis 1978 das Bierkartell in ein Konditionenkartell umge-
wandelt wird. Bezüglich des Verkaufes unter den Einstandspreis
meint Farnleitner besteht die Idee, Lagerbiere in die cash
und carry sowie sonstige Märkte und Diskont zu liefern, während
Spezialbiere nur von Gast- und Schankbetrieben und Lebensmittel-
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kleinhändler geführt werden sollen. Überhaupt ist jetzt
neuerdings eine Diskussion über den Verkauf unter den Ein-
standspreis in der Handelskammer im Gange. Mit Hofer haben
sich alle geeinigt, dass dieser z.B. Maresi nicht mehr unter
dem Einstandspreis verkauft. Die jetzige Beschwerde aller
geht nun dahin, dass Hofer zu knapp über dem Einstandspreis
nur noch immer schleudert. Hofer hat also jetzt einen günstige-
ren Erlös bei Maresi-Verkauf noch immer den Werbungsvorsprung der
Billigste zu sein und kann jetzt auf anderen Artikeln umso mehr
Konkurrenz machen. Das holländische System wird jetzt von
den Händlern angepriesen als beste Lösung, obwohl nach Erfahrung
und Meinung Farnleitners auch dieses keine Wirkung hat.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte setze Dich mit Jagoda und Farnleitner
wegen dieses Problems zusammen und berichte mir.
Beim Journalistenfrühstück hat Jagoda über die Kennzeichnungs-
verordnungs-Enquete berichtet. Die einzige Frage, die dann von
Swietly an mich gestellt wurde, ob ich die Meinung der Länder-
vertreter, insbesondere Oberösterreichs teile, dass sie mehr
Personal zur Kontrolle bräuchten. Da eine Personalaufnahme kaum
in Frage kommt, haben wir ja das System geändert. Aus der nach-
laufenden Kontrolle, wie der Fachausdruck heisst, bei den Einzel-
händlern wird jetzt bei der Einfuhr an der Grenze gleich die
ganze Ladung geprüft.
Prof. Mittag versuchte die Massenmedien dafür zu gewinnen, dass
bei der Hauswurfwerbung während der Ferien diese für die Nach-
barschaftshilfe sich einsetzen sollte. Mittag möchte nämlich,
dass nicht die Hauswurfwerbung verboten wird, eine solche Ver-
botsabsicht habe ich gar nicht, wohl aber die Nachbarn die
Briefkästen für den auf Urlaub befindlichen leeren sollen.
Dies ist primär auch deshalb notwendig, um eventuellen Ein-
brechern keinen Hinweis zu geben, dass niemand derzeit in der
Wohnung wohnt. Der Werbebranche ist die Mitteilung der
sozialistischen Frauen Linz, die im Vorjahr im Oktober und
November alle Zusendungen gesammelt, gewogen und dann taxiert
haben und auf 200 Mio Schilling pro Jahr Aufwand gekommen sind,
in die Knochen gefahren. Das einzige Gegenargument gegen diese
Papierflut war, dass Linz zu diesem Zeitpunkt die billigste
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Stadt Österreichs gewesen ist. Die Korrelation laut Mittag
war, die billigste Stadt – stärkste Werbung. Über diese
Frage gab es überhaupt keine Diskussion.
Dr. Grenz von der Hoteltreuhand berichtete, dass es möglich
war im ERP und ERP-Ersatzaktion im Fremdenverkehr 416 Mio S
zuzuschlagen. Dies bedeutet ein 4-faches Kreditvolumen, wovon
88% Österreichaufträge darin beinhaltet sind. Die Einnahmen
aus dem Fremdenverkehr werden dadurch um 540 Mio Schilling
steigen, 380 Mio Schilling davon in Devisen. Das Antragsvolumen
wurde dadurch auf 900 Mio Schilling gesenkt. Grenz erklärte mir an-
schliessend, in den letzten Tagen seien schon wieder so viele
neue dazugekommen, dass man bereits wieder die 1 Mia Schilling-
grenze überschritten hat. Ich habe bei der Generalversammlung
der Fremdenverkehrswerbung mit MR Kaber vom Finanzministerium
darüber gesprochen und angeregt, wenn die Industrie nicht ihre
Investitionen tätigt, als Ausgleich das Finanzministerium dem
Gewerbe und den Fremdenverkehr, wo diese Investitionswünsche vor-
liegen, mehr Mittel zuweisen sollte. Kaber ist im Prinzip damit
einverstanden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Würzl und Budgetabteilung soll sofort
mit Finanzministerium Gespräche aufnehmen, um Lösung zu finden.
Würzl berichtete über die Fremdenverkehrsentwicklung im Mai,
wo wir überraschend 5,4 Mio Übernachtungen zählen konnten. Dies
sind um 14% mehr als im Vorjahr, Inländer plus 2%, Ausländer
plus 20%. Von Jänner bis Mai wurden gegenüber dem Vorjahr 32 Mio,
heuer 35 Mio Übernachtungen gezählt. Da bei diesem Pressegespräch
auch Dr. Norden von Tourist-Austria anwesend war, erwiderte ich,
ohne ihn namentlich zu nennen oder gar sein Presseerzeugnis
zu zitieren, dass ich nicht die Absicht hatte und habe, die
österreichischen Reisebüros zu benachteiligen, sondern nur beim
incoming-Geschäft erklärt habe, mich mit Gott und dem Teufel
zu verbünden, um mehr Deutsche nach Österreich zu bringen. Wenn
dafür deutsche Reisebüros eine bessere Gewähr bieten, so unter-
stütze ich auch natürlich diese Reisebüros. Angefangen von meinem
Besuch in Dubrovnik bei den deutschen Reisebüroveranstaltern bis
zum jetzigen Versuch mit einem Buchungssystem START mehr Gäste
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aus Deutschland nach Österreich zu bringen.
Bei der Eröffnung der Generalversammlung der Österreichischen
Fremdenverkehrswerbung habe ich daher auch auf dieses System
neuerdings hingewiesen und erklärt, dass uns jedes Buchungs-
system recht ist, dass irgendwo eingeführt wird, um mehr Gäste
nach Österreich zu bringen. Ich bin persönlich davon überzeugt,
und diese Meinung teilt heute, glaube ich, schon der grösste Teil
der Fachleute in Österreich, dass es ohne ein Buchungssystem
in Hinkunft gar nicht gehen wird. Welches und welche Region
und wer sich daran beteiligt, wird nicht vom Handelsministerium
bestimmt, sondern von den Betroffenen.
Mit Erbacher, Hofstetter, Frank, Heindl und vor allem dem
Pressereferenten Kunz besprachen wir die beste Lösung der
agitatorischen Vorbereitung und Unterstützung der Volksabstimmung
über Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes ZWENTENDORF. Kreisky
hatte mich Samstag spät abends angerufen und meinte, wir sollten
ein Kuratorium gründen, in welches er bereit war, Kunz aus-
schliesslich für diese Arbeit in den nächsten Monaten abzustel-
len. Nach längerer Diskussion stellten wir fest, dass eine
Kuratoriumsgründung unzweckmässig ist. Die Atomgegner würden
dann sofort ein anderes Kuratorium gründen und womöglich von
allen Beteiligten, die dieses Kuratorium unterstützen, auch
für das Gegenkuratorium finanzielle Mittel verlangen. Da jede
Institution, Verband der Elektrizitätswirtschaft angefangen,
über die Kraftwerkserbauer KWU, Siemens usw. vor allem aber
auch alle Landesgesellschaften und die Verbundgesellschaft
grosses Interesse daran haben, dass diese Volksabstimmung
positiv endet, wird jede einzelne Institution und natürlich
auch der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer
usw. bereit sein, auf ihrem Sektor entsprechende Massnahmen zu
setzen und auch zu finanzieren. Kunz wird die stille Koordination
vornehmen, sich dazu wahrscheinlich einer Agentur bedienen und
ohne dass jemand offiziell in Erscheinung tritt, in kleiner Gruppe
den Koordinationsvorsitz führen. Bruckner, ÖGB, Koppe, VKI und AK,
SPÖ-Klub Heindl, Satzinger, Handelsministerium, Bandhauer wird unter
Vorsitz Kunz' mit mir eine Besprechung über die Grundsatzkonzeption
abführen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte veranlasse das Nötige.
Georg Mautner Markhof und sein Vorstandskollege Dr. Jonas be-
schwerten sich bei mir, dass sie jetzt nach dem Preisregelungs-
gesetz zu einer amtlichen Preisbestimmung über Fruchtsaftsirupe
kommt. Mautner Markhof meinte, bei einer Verlustproduktion
von 7 bis 8 Mio Schilling, was 10% des Aktionkapitals ist, hätten
sie nur die Möglichkeit gehabt, entweder die Produktion einzu-
stellen, was 60 Arbeitsplätze bedeutet hätte, oder sich eben
nicht an die Beschlüsse der Paritätischen Kommission zu halten,
weil diese eben keine Beschlüsse gefasst hat. Selbst Präsident
Sallinger hat ihnen empfohlen, da der Zuckerpreis um 14% erhöht wurde
und der Sirup zu 65 % aus Zucker besteht, wenn die Paritätische
Kommission keinen Beschluss fällt, dann ganz einfach die Preise selbst
zu erhöhen. Die Argumentation, 12 Monate wurde nicht abgewartet,
trifft für ausserordentliche Rohstoffpreiserhöhungen auch nicht zu,
dort ist es auch manchmal gestattet, bei ihnen wurde aber der Zucker-
preisüberwälzungsantrag, der ebenfalls nach Meinung der Firma ein
ausserordentlicher Rohstoffpreiserhöhung war, nicht genehmigt. Zu
dieser Aussprache zog ich auch Unterberg und Lejolle zu, welche
sich dann mit Burian gemeinsam mit der Firma weiter auseinander-
setzten. Es bestand einhellige Meinung, so schnell als möglich dieses
Preisverfahren abzuwickeln.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte lass Dir ständig über den Fortgang be-
richten, damit wir nicht am Ende von dem Ergebnis überrascht werden.
Bei der Vorbesprechung des Präsidiums der Österreichischen Fremden-
verkehrswerbung, Geschäftsführender Obmann Zedek, Geschäftsführer
Zolles und Kübler, einigten wir uns darauf, dass die Geschäftsleitung
so schnell als möglich mit der Gemeinde Wien zu einem Arrangement
bezüglich der Wasagasse kommen sollte. Zolles und Kübler teilten mir
mit, sie hätten finanzielle Mittel genug angespart, um selbst dieses
Projekt kaufen zu können und renovieren zu lassen. Ich sollte nur
bei meiner Einleitung der Generalversammlung auf diese Möglichkeit
besonders hinweisen, was ich dann auch tat.
Die Verhandlungen im Handelsausschuss bezüglich des Kernkraftwerkes
waren mühsam und letzten Endes nicht erfolgreich, wenn man einen Konsens
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als das Ziel unserer Besprechungen ansieht. Im Handelsausschuss
war es ja bisher möglich, dass zumindestens zwischen den beiden
grossen Parteien stets ein Einvernehmen erzielt werden konnte. Ich
behaupte nicht nur von der Materie her, sondern schon allein
wegen der sonst nicht im Handelsausschuss agierenden Dr. König,
Wiesinger und Hubinek, war diesmal es unmöglich. Die ÖVP hatte
einen eigenen Gesetzentwurf wegen der Kernkraft vorgelegt, wo sie
allerdings neuerdings weder über die Inbetriebnahme Zwentendorf
aussagen wollte, noch wirklich bereit war, in der Volksabstimmung
das Volk zu fragen, ob sie für oder gegen die Kernkraft ist.
Mit verschwommenen Aussagen über ein grundsätzliches Ja zu Atom-
strom, formalen Bestimmungen, was die Regierung noch alles zusätzlich
machen sollte, vor allem aber immer wieder direkt und indirekt der
Hinweis, dass es sich ausschliesslich um Regierungsversäumnisse
handelt, sollte eine Wischiwaschi-Lösung vom Nationalrat be-
schlossen werden und dann einer Volksabstimmung zugeführt. Prof.
Adamovich wurde vom Ausschuss detailliert gehört zu allen Fragen,
die die Verfassungsmässigkeit unseres Gesetzesantrages betraf, den
Ermacora und Neisser zerpflücken wollten. Kreisky selbst stand dem
Ausschuss zur Verfügung und erklärte, warum er gerade wegen des
unmöglichen Konsenses mit der ÖVP und dann mit einer breiteren
Basis im Parlament eben jetzt sich zu der Entscheidung durchge-
rungen hat, dann muss eben das Volk abstimmen. Am Abend erklärte
dann König Heindl vertraulich, er sieht keine Möglichkeit, im Rahmen
des Handelsausschusses zu einem Konsens zu kommen, wohl aber wenn
man den Klubobmann Mock einschaltet. Die Sitzung wurde darauf unter-
brochen und Mock, König, Fischer, Heindl und ich, unter Zuziehung
des Verfassungsdienstes Prof. Adamovich, begannen Detailverhandlungen.
Fischer ging mit seinem Kompromissvorschlag sehr weit. In Formu-
lierungen wurde der Haupteinwand der ÖVP berücksichtigt und fest-
gehalten, dass die Regierung letzten Endes durch Bescheid das
Kernkraftwerk genehmigen muss. Mock und König zogen sich mit dieser
Formulierung, die sie ja letzten Endes mitgestaltet hatten, zu
einer Aussprache mit Bundesparteiobmann Taus und ihren Ausschuss-
mitgliedern zurück. Zu unserer grössten Überraschung wurde die
Wiederaufnahme um fast 2 Stunden verzögert. Im Gegenvorschlag,
mit dem sie dann nachher kamen, waren sie aber keinesfalls bereit,
auf den Kompromissvorschlag, den wir gemeinsam erarbeitet hatten,
aufzubauen, sondern eben wieder auf ihren im Handelsausschuss einge-
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brachten Gesetzentwurf. Einmal mehr stellte sich für uns heraus,
dass Mock als Klubobmann sich nicht innerhalb der Parlaments-
fraktion, geschweige denn innerhalb der Partei durchsetzen konnte.
Durch die Länge der unterbrochenen Sitzung, vor allem aber auch
durch die Mitteilung, dass Bergmann ebenfalls ins Parlament ge-
kommen sei, war für mich klar, dass man gar kein echtes Kompromiss
anstrebte. So wie bei der seinerzeitigen Diskussion über die Ent-
schliessung jetzt auch bei dem Gesetzentwurf, die SPÖ muss unsere
Formulierung übernehmen oder wir stimmen dagegen. Ich hoffe, dass
dies taktisch ein grosser Fehler von der ÖVP, insbesondere von
Taus und Bergmann gewesen ist. Wenn nämlich die Volksabstimmung,
wie anzunehmen ist, mit Erfolg abgeschlossen wird, je grösser die
Beteiligung, eine so grössere Zustimmung man erwartet, dann ist
dies für die ÖVP eine sichtliche Niederlage. Diese Meinung wurde
dann auch beim Presseheurigen, wie ich feststellen konnte, allgemein
vertreten. Klubobmann Fischer, mit dem ich den Presseheurigen be-
suchte und ihn dann auch um 11 Uhr nach Hause brachte, meinte mit
mir übereinstimmend, das Wichtigste war, dass wir während der ganzen
Zeit unsere Verhandlungsbereitschaft dokumentierten, die ÖVP
ständig ihre Meinung, zumindestens nach aussen hin, änderte, die
Geschäftsordnung nicht so gut handhaben konnte als wie Heinz Fischer,
weshalb es auch zu kuriosen Situationen kam. Geschäftsordnungsmätz-
chen führten dann dazu, dass König seinen Antrag auf Ablehnung des
Regierungsberichtes zurückzog, Ermacora einen Antrag auf Annahme des
Regierungsberichtes stellte, dann natürlich mit den Sozialisten auch
dafür stimmen musste, die ÖVP ständig von Sicherheit redete, gleichzeitig
aber die Aussenhandelsgesetznovelle, die ein weiterer Sicherheits-
faktor sein sollte, ablehnt. Ich glaube und hoffe, dass die gradli-
nige Haltung der SPÖ auch nicht zuletzt durch die Volksabstimmung
bestätigt wird. Meinungsumfragen ergeben derzeit ein Für-Inbetrieb-
nahme 61% Ergebnis. Es wird sich zeigen, ob sich dieses in den
nächsten Monaten erhöht. Sollte der Abschluss dann allerdings auch
61% sein, könnten wir schon sehr zufrieden sein. Optimisten schätzen
ja sogar, dass wir 70% erreichen würden. Dies glaube ich deshalb nicht,
weil selbst beim Volksbegehren über Arbeitszeitverkürzung der Gewerk-
schaftsbund nur 900.000 mobilisieren konnte. Ich bin sehr gespannt,
wie die Wahlempfehlung der ÖVP aussehen wird und welche Begründung sie
bei der zu erwartenden Ablehnung geben wird.
Tagesprogramm, 26.6.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Typoskript "Sitzung der Pressereferenten mit Genossen Blecha", 26.6.1978
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