Dienstag, 27. Juni 1978
Dir. Bandhauer, Verbundgesellschaft, teilt mir mit, dass es gelungen
ist, mit der Energieversorgung Schwaben die Finanzierungsbeteiligung
und Strombezug von 50% aus Zemm und Zillergründl zu vereinbaren.
Wir bekommen 670 Mio DM 1980/8l für die Verbundkonzern zu verwenden
mit ca 7% Zinsenbelastung. Ab 1981 wird für 20 Jahre dann mit Strom-
lieferungen rückbezahlt. Damit ist die Finanzierung Zillergründl
endgültig gesichert und im Herbst kann der Staumauerbau beginnen.
Der neue indische Botschafter Singh, der vorher in Iran war, ist
überzeugt, dass Österreich mit Indien auf Drittmärkten grosse
Projekte beginnen könnte und sollte. Iran z.B. hat von Indien
Eisenbahnmaterial bezogen und vor allem auch die überschüssigen
Arbeitskräfte, die Iran dringendst braucht. Österreich könnte sich
und sollte sich an diesen Kooperations-Drittländergeschäften eben-
falls beteiligen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Willenpart soll die Industriesektion ent
sprechend informieren.
Vor dem Ministerrat hat mir Landwirtschaftsminister Haiden mitge-
teilt, dass er jetzt in immer stärkerem Masse von den Bauernvertre-
tern attackiert wird. Die Niederösterreicher haben z.B. beschlossen,
er müsse alle Importweine verbieten. Derzeit werden 180.000 hl
aus dem Globalkontingent und 53.000 aus dem Accordino sowie aus
dem kleinen Grenzverkehr und Messekontingente importiert, insgesamt
um 212 Mio Schilling. Gleichzeitig aber werden für 170.000 hl für
300 Mio Schilling exportiert. Schon aus der Preis-Mengenrelation
ersieht man, dass wir höherwertige Weine exportieren. Im GATT
haben wir uns seinerzeit verpflichtet, die Kontingente jährlich um
10% bis Volliberalisierung aufzustocken. Das Globalkontingent wurde
aber längere Zeit schon überhaupt nicht mehr erhöht. Da Haiden
sowie ich an der seinerzeitigen Vereinbarung mit den Bauerngipfel
bezüglich Getreide- und Milchpreise festhalten resp. festhalten
wollen, erwarten wir auch auf diesem Gebiet heftige Attacken.
MR Kurzl erklärte mir, die Mehl- und Brotpreise könnten mit 50 Gro-
schen Erhöhung abgeschlossen werden. Nur für Laibbrot, meint er, müsste
man 60 Groschen veranschlagen. Die Berechnungen hat nicht er gemacht,
wie ich sofort feststellen konnte, sondern die Mühlenindustrie resp.
Brotindustrie. Eine Erhöhung des Laibbrotpreises um 60 Groschen
würde bedeuten, dass wir von 9.50 Schilling über 10 Schilling
kämen. Ein solcher Preis erscheint mir aber optisch unmöglich.
Die Arbeiterkammer, Dr. Zöllner und Blaha, die ich von diesem
Ergebnis unterrichtete, meinten, ihre Berechnungen hätten tiefere
Preise ergeben. Kurzel wurde von mir ermächtigt, wenn er eine ein-
vernehmliche Lösung erzielt, abschliessen zu können.
Vor dem Ministerrat teilte mir Pahr mit, er könne Buchauer nicht
eine Abteilung im Aussenamt geben, wenn er jetzt von Paris zurück-
kommt. Gen.Sekr. Reitbauer erörterte mir nachher im Detail, dass
Buchauer noch niemals im Aussenamt in Wien gearbeitet hat, daher
das Haus nicht kennt und es ganz unmöglich ist, ihm eine Abteilung
zu geben. Er muss zuerst, wie man so schön sagt, Stallgeruch an-
nehmen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND HAFFNER: Bitte Buchauer diesbezüglich in-
formieren.
Reitbauer hat den amerikanischen Botschafter über die Gespräche
mit den Ägyptern bezüglich Atommüllagerung und auch wegen der
Ölfruchtabgabe informiert.
Im Ministerrat ersuchte Haiden die Richtlinien für die Zinsen-
zuschüsse Zellstoff- und Papierindustrie um eine Woche zurückzu-
stellen. Er hat mit der Firma Borregaard aus wasserrechtlichen
Belangen Schwierigkeiten und glaubt sie dadurch leichter zu be-
wältigen. Ich machte ihm auf die schlechte finanzielle Situation
der Papier- und Zellstoffindustrie und auch Borregaard aufmerksam.
Nach dem Ministerrat machte Kreisky eine Nach-Ministerratsbespre-
chung ohne die Beamten und ersuchte mich, über die Kernkraftwerks-
verhandlungen im Parlament zu berichten. Ich schilderte unsere
Bemühungen zu einer einvernehmlichen Lösung mit der ÖVP zu kommen,
die aber zweimal mit Mock scheiterten: einmal beim Versuch einen
gemeinsamen Entschliessungsantrag zu formulieren und dass zweite
Mal gestern, als wir einen gemeinsamen Gesetzestext weitgehendst
koordinierten, dann aber Taus resp. Bergmann alle Ergebnisse ver-
warf. Kreisky ist davon überzeugt, dass Taus und Bergmann keine
Obligationen eingehen wollen, niemand anderer aber auch ein Ver-
handlungsergebnis erzielen soll. Ausserdem möchte er den Triumph
43-0742
über Sallinger, Handelskammer, Industriellenvereinigung und
Wallnöfer sowie anderer schweigender Landeshauptleute, die aber
alle am Kernkraftwerk finanziell über Landeselektrizitätsgesell-
schaften beteiligt sind, auch öffentlich als starker Mann sich
profilieren. Das Endlagerproblem kommt erst in 15 Jahren und die
Mittellagerung wird ein glaubhafter Vorschlag, sei es Ägypten oder
Amerika, eine Lösungsmöglichkeit geben. Breiten Raum nahm genauso
wie nachmittags dann beim Klub der SPÖ die Frage der Volksabstim-
mung resp. die Begründung seines Gesinnungswandel ein. Immer
stand er auf den Standpunkt, es wäre zweckmässiger gewesen, im Par-
lament eine breite Mehrheit zu finden, weil dort die Abgeordneten
eine bessere Information haben als letzten Endes die Bevölkerung,
die eine Volksabstimmung darüber jetzt durchführen muss. Er hofft,
dass die Volksabstimmung durch Sachaufklärung und nicht durch
Gerangel mit VP zu gewinnen ist. Die Volkspartei wird sich als
große Partei disqualifizieren, die Handelskammer, Industriellen-
vereinigung, ja sehr viele Landtage haben positive Beschlüsse
zur Kernkraft, als sie der GKT als Gesellschafter beigetreten sind.
Die Bevölkerung hat keine Aversion gegen die Volksabstimmung. Benya
sagte, er meint, 53% würden dafür stimmen. Dies wäre verhältnismäßig
eine knappe Mehrheit und hängt meiner Meinung nach davon ab, wie
stark die Wahlbeteiligung ist. Da man 18% auf Grund der jetzigen
Umfragen als harten Kern gegen Atomstrom betrachten kann, wären
dies 800.000 Wähler. Von diesen ist anzunehmen, dass der grösste
Teil sich an der Volksabstimmung beteiligt. Je geringer also die
Beteiligung ist, umso geringer wird der positive Anteil. Dem Ge-
werkschaftsbund ist es bei der Mobilisierung der Arbeitszeitver-
kürzung nur gelungen, ca 1 Mio Unterschriften im Volksbegehren
zu bekommen. Natürlich ist eine Volksabstimmung etwas anderes,
aber es wird sehr schwer sein, die positiven Stimmen zu mobili-
sieren und zur Wahlurne zu bringen. Lanc berichtet dann über die
Verhandlungen zu überregionalen Alarmplänen, die aber noch immer
nicht abgeschlossen werden konnten. Androsch berichtete, dass in
der Zinsendiskussion ein Kompromiss erzielt werden konnte und
die OeNB den Diskont um 1% senkt, die Sollzinsen die Banken eben-
falls um 1% und gleichzeitig allerdings der Eckzinsfuss für Spar-
einlagen um ein 1/2 % heruntergesetzt wird. Die Finanzausgleichs-
verhandlungen laufen sehr hart, die ursprüngliche Länderforderung,
ein Steuererhebungsrecht auch tatsächlich ausüben zu können, wird
heute nicht mehr so stark von diesen gefordert. Die Verhandlungen
über Finanzausgleich und Steuersenkungen werden im September fort-
43-0743
gesetzt und zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auch abgeschlossen.
Zur Strassenverkehrsabgabe, bemerkte Androsch, werden die Ungarn
Gegenmassnahmen setzen.
Präsident Agnelli bekam von mir einen hohen Orden anlässlich der
30 Jahre Festveranstaltung über Kooperation zwischen Fiat und
Steyr-Daimler-Puch. Neuerdings urgierte Wanke und auch ich wegen
der Lieferung von Ersatzteilen und Zubehör für die Fiat-Autopro-
duktion in Italien. Agnelli und seine Begleiter sagten weitere
Besprechungen und eine positive Einstellung zu unseren Plänen zu.
Die Brotindustrie schickte ihren Sprecher Heinrich mit Fachverbands-
sekretär Weideneck und Foramiti, Ankerbrot, sowie Ringbrotwerk-
Linz-Vertreter, um mir mitzuteilen, sie könnten die Lohnerhöhung
im Ausmass, wie ihn die Gewerbebetriebe akzeptiert haben, nicht
bezahlen. Da sie einen höhere Schillinglohn jetzt schon zahlen
müssen, würde die ca 6%ige Erhöhung für sie untragbar sein. Sie
möchten, da sie eine kürzere Arbeitszeit, Dienstalterszulage,
Abfertigungen und jetzt schon um 10% höhere Löhne als das Gewerbe
bezahlen, in Summe macht dies nach Konsumberechnungen 25–33%
Mehrbelastung aus, dass sie mit einem geringeren Prozentsatz von
mindestens 1/2% abschliessen können. Ich erklärte ihnen sofort
eine solche Zusage nicht machen zu können. Ich weiss, dass die Brot-
industrie in einer schlechten Situation ist, Ankerbrot hat in den
letzten Jahren nur mehr Verluste und Ringbrot hat im Vorjahr bei
einer Summe von 115 Mio Schilling ebenfalls 4,9 Mio Schilling bei
einem Stammkapital von 7 Mio gemacht. Trotzdem wird es kaum mög-
lich sein, bei der jetzigen Lohnverhandlung eine Sanierungsmass-
nahme für die Industrie zu setzen. Das einzige, was ich ihnen zu-
sagte, war, dass nach der Lohnverhandlung die Industrie sich an
die Gewerkschaft wenden sollte, um die Gespräche bezüglich einer
Sanierung der Industrie aufzunehmen. Die Belegschaft, insbesondere
aber die Betriebsräte bei Anker waren auch in der Vergangenheit
bereit, hier grosse finanzielle Opfer auf sich zu nehmen.
Durch den Einschub von Sitzungen bin ich zur Brauerei-Eröffnung
Egger nach St. Pölten um eine 1/2 Stunde zu spät gekommen. In Hinkunft
muss man mehr auf die Fahrzeit Rücksicht nehmen, ansonsten kommt der
Fahrer mit dem Gesetz unausweichlich in Konflikt. Egger hat die
43-0744
Eröffnung ganz gross aufgezogen, sogar die Tiroler Kaiser-
jäger Kapelle kommenlassen, die dann Landeshauptmann Maurer
wirklich fachmännisch einwandfrei dirigierte und dann noch sogar
mitgeblasen hat. Zu diesem Zweck, konnte ich feststellen, trägt
er sein Mundstück ständig in der Tasche mit. Bei der Ansprache ver-
wies er darauf, wie glücklich er ist, dass jetzt wieder in Nieder-
österreich eine neue Brauerei entstanden ist, nachdem vorher schon
der Bürgermeister Schickelgruber darauf verwies, die alte Brau-
stadt St. Pölten aus dem 16. Jahrhundert jetzt endlich wieder eine
Brauerei bekommen hat. Egger meinte zur Begrüssung, er bewundere
den Mut der zukünftigen Egger-Kunden, dass sie auch gekommen sind,
von der Handelskammer waren zwar Spitzenkräfte eingeladen, haben
sich aber alle entschuldigt. In Europa, aber ganz sicher in Öster-
reich ist dies nach langer Zeit wieder einmal eine Brauerei, die
auf die grüne Wiese neu gebaut wurde. Alle anderen Brauereien
haben bis jetzt nur Verbesserungen in alten Gebäuden und Fabriken
vorgenommen oder überhaupt Stillegungen durchführen müssen. Egger
ist überzeugt, dass er die 200 Mio Investitionen hereinbringt.
Der Braumeister zeigte mir dann beim Rundgang die wirklich zweck-
mässigen Anordnungen und verwies auf die Tatsache, dass er mit
45 Leuten nicht nur die 200.000 hl, sondern auch dann bis zu 500.000
produzieren wird. Dies bedeutet, dass er mit 10.000 hl Kopfleistung
in Europa einsame Spitze sein wird. Allerdings wird es sehr schwer
sein, die 500.000 hl Ausstoss tatsächlich zu erreichen. Ich ver-
wies auf den Importrückgang 101.000 gegen 130.000 in den ersten
vier Monaten des Vorjahres, also 34% weniger und auf die Export-
steigerung von 46.000 hl auf 62.000. Wichtiger erschien mir aber
auf die Kartellsituation einzugehen. Derzeit sind ca 7% der 7,7 Mio
hl-Produktion ausser Kartell, davon 300.000 die Ottakringer. Egger
wird jetzt mit 200.000 und in kürzester Zeit auch NÖ-Hubertusbräu
ausserhalb des Kartells liefern und dadurch 10% sehr bald erreicht
sein. Das Kartell läuft mit 80 ab und wird kaum zu erneuern sein,
sondern nur mehr in ein Konditionenkartell umgewandelt. Die Idee,
in Hinkunft sollte Lagerbier von den Diskontern, Ketten und Super-
märkten verkauft werden, Spezialbiere aber den Lebensmittelklein-
händler und Gast- und Schankgewerben vorbehalten bleiben, wurde
von mir nur erwähnt. Eine Lösung sehe ich darin aber nicht, weil es
unmöglich sein wird, sie durchzuziehen.
Im Klub der SPÖ hat Fischer über die Atomfrage berichtet und
Heindl und mich ersucht zu ergänzen. Fast wäre es zu gar keiner
Diskussion gekommen. Meine aber scheinbar doch auch provokanten
Äusserungen führten dann zu einer längeren Diskussion, wobei Benya
ganz besonders hervorhob, dass wir in der Argumentation eine ein-
fache Sprache sprechen müssen und nicht aber die verfassungsrecht-
lichen Schwierigkeiten. Broda berichtete über die sachlichen
Massnahmengesetze, die auch der Verfassungsgerichtshof – so hofft
er – für möglich hält und deshalb keine Beschwerde an ihn erfolg-
reich sein wird. Die Dutzend Redner stellten Fragen, kritisierten
leise und warteten dann, bis Kreisky sich zum Schluss letzten Endes
mit seiner Erklärung zu Wort meldete. Kreisky selbst hat einmal
mehr wieder die Atomentscheidung analysiert. Zu Heindl sagte ich,
für mich ist er die Inkarnation des Hegelschen philosophischen
Vorgangs. These, Antithese, Synthese, bei ihm alles in eigener
Person. Er braucht diese ständige Diskussion mit sich selbst vor
einem Forum, das ihm zuhört, um zu seiner endgültigen Formulierung
zu kommen. Dabei analysiert er die Probleme, vereinfacht sie aber –
er ist ja letzten Endes sein bester Propagandist – und kommt dann,
ohne dass er sich auch nur ein Wort aufzeichnen muss, zu einer Diktion,
die er letzten Endes dann überall gleichmässig vorträgt und da-
durch den Eindruck erweckt, schon seit eh und je diese Stellung-
nahme gehabt zu haben. In der morgigen Parlamentsdebatte erwartet
er allerdings bezüglich seines Wandels zur Volksabstimmung eine
harte Auseinandersetzung.
Haiden teilte mir mit, dass er mit der Arbeiterkammer, Blaha, und
Gewerkschaftsbund, Schmidt, vereinbart hat, dass die Abschöpfung
für Eier von derzeit 18 Groschen auf 24 Groschen erhöht werden
müsste. Ein diesbezüglicher Initiativantrag soll von ihm jetzt
noch schnell eingebracht werden. Die EG hat nämlich die Erstattung
um 6–8 Groschen je Ei erhöht. Ich selbst hätte, wenn tatsächlich
die Zusage der Konsumentenvertreter vorliegt, gegen eine solche
Initiativregelung nichts einzuwenden.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte erkundige Dich, wie der Fall steht.
Kreisky teilte mir mit, dass er unbedingt Dr. Wiesmüller für
sein Büro braucht. Der jetzige Jurist Groiss wird Abteilungsleiter
vom Ministerratsdienst. Groiss kennt Wiesmüller seit längerer Zeit
43-0746
schon und hat ihm Kreisky vorgeschlagen. Kreisky hat mit ihm
sofort ein Gespräch geführt und mich dann ersucht, auf ihn
zu verzichten. Da ich ja der Karriere unserer Mitarbeiter auf
gar keinen Fall in den Weg stehen will, habe ich schweren Her-
zens zugestimmt. Schön langsam wird der Aderlass aber auch
für unser Haus unerträglich. Wenn Degischer jetzt auch noch
von Dr. Schwarz weggeht, müsste man organisatorische Änderungen
überlegen. Wenn man mit der Neubesetzung dieser beiden Posten
zuwartet, dann müsste es möglich sein, Schwarz zu einer anderen
Lösung zu bewegen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND KAZDA: Wir sollten uns diesbezüglich ein-
mal zusammensetzen.
Auch im Klub der Mandatare auf der Landstrasse wurde von mir na-
türlich über die allgemeine politische Situation und ganz beson-
ders über die Kernkraft referiert. Der zweite grosse strittige
Punkt wird zum Abschluss der Parlamentsdebatte die Novelle der
Arbeiterkammerwahlen sein. Die Vorschläge der Arbeiterkammer –
leider meiner Meinung nach zu spät – die Unternehmergattin auszu-
schalten, hat seinen Ursprung schon jahrelang. Erster Schritt
war 1969 die Versicherungsmöglichkeit, der zweite und wichtigste
Schritt aber Mitte der 70er Jahre, als Androsch das Splitting
einführte. Damit konnte der Unternehmer seine Einkommensteuer
wesentlich reduzieren, wenn er seiner Frau einen Gehalt gab, der
dann einzeln und extra zu versteuern war. Dadurch haben zehntau-
sende von Unternehmern die Gelegenheit benützt und so neue Arbeits-
kräfte geschaffen. Insgesamt sollen es in Wien 16.000 und in ganz
Österreich 50.000 sein, die davon betroffen sind. Die ÖVP wird
diese Frage ganz hochspielen.
Kreisky und Taus haben, wie dann aus dem Radio zu hören war, doch
noch spät abends im Parlament mit Mock und Fischer Gespräche über
eine gemeinsame Formulierung bezüglich eines Atomgesetzes ge-
führt. Die Ergebnisse sind mir nicht bekannt geworden. ? hat
allerdings bereits Nachmittag angedeutet, er könnte, wenn es zu
einer Vereinbarung kommt, selbst nicht abschliessen, sondern in
diesem Fall müssten Kreisky und Taus die Frage endgültig lösen.
Sollte es tatsächlich zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen
43-0747
ÖVP und SPÖ kommen, dann hätte Heindl recht, der immer schon
davon überzeugt war, dass es möglich sein müsste, dieses Problem
durch entsprechende Formulierungen durch einen gemeinsamen Gesetzes-
antrag im Parlament beschliessen zu können. Sachlich wurde ja
bereits von SPÖ-Seite sehr viel zugestanden. Im Gesetz soll noch
zum Ausdruck kommen, dass die Regierung letzten Endes den Beschluss
über das Kernkraftwerk fassen muss, die Forderung der SPÖ ist nur,
dass in dem Gesetz klar und deutlich ein ja – nicht nur zur Kern-
kraft, sondern letzten Endes auch zu Zwentendorf gesagt wird –
ohne dass der Name Zwentendorf aufscheinen muss. Wenn sich die
ÖVP wirklich einigen will, dann wird es – davon bin ich überzeugt –
nicht an der Formulierung scheitern. Bis jetzt bin ich aber nach
wie vor überzeugt, dass diese Einigungsbemühungen von der ÖVP
nur geführt werden – und dies gilt ganz besonders von Mock –
um der Handelskammer zu beweisen, dass er das erdenklich Möglichste
gemacht hat als Klubobmann zu einer auch für die Handelskammer
befriedigenden Lösung zu kommen. Diese Haltung, glaubt Mock mit
Recht, ist er der Handelskammer schuldig, nachdem er ja den Handels-
kammerkandidaten für den Klubobmann, nämlich Handelskammerpräsi-
dent Graf ausgestochen hat. Graf, davon bin ich überzeugt, wäre
auch ein besserer Klubobmann, was die Verhandlungsführung und
insbesondere die Härte gegenüber einzelnen Klubmitgliedern betrifft.
Eine alte Erfahrung aber ist, man kann sich seine Verhandlungs-
partner nicht aussuchen.
Tagesprogramm, 27.6.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 124. Ministerratssitzung, 27.6.1978
43_0747_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)