Freitag, den 16. Februar 1979
Die Besprechung mit Bürgermeister Gratz und Landessekretär Edlinger
wegen Wiener Nationalratsliste ergab, daß Heindl auf alle Fälle wieder
in den Nationalrat einziehen wird. Sollte die SPÖ nicht mehr in der
Regierung sein und daher die Regierungsmitglieder nicht ihr Mandat
zurücklegen, so wird vom Wiener Vorstand beschlossen werden und zwar
jetzt vor der Wahl, daß die älteren, d.h. über 65 Jahre alten Abge-
ordneten Firnberg, Metzker, Broda und Schnell ihre Mandate zurück-
legen, d.h. aus dem Nationalrat ausscheiden. Dadurch ist die Gewähr
gegeben, daß Heindl auch dann wenn wir Abgeordneten-Mandate ver-
lieren, auf alle Fälle wieder im Nationalrat aufscheinen wird. Ich
hätte Gratz eine so radikale Lösung, die angeblich aus der
Diskussion im Präsidium der Wiener Partei geboren wurde, nicht zuge-
traut. Ich glaube aber, so wie Heindl und Tischler ebenfalls, daß
dies eine sehr vernünftige Lösung ist, wodurch theoretisch 4 Mandate
von den jetzigen 24 verloren gehen können. In diesem Fall wäre aber auch schon
die relative Mehrheit für die Sozialisten verloren.
Bei der Besprechung Kreisky und einigen Regierungsmitgliedern mit
der Niederösterreichischen Landesregierung wegen des Waldviertels
hat Kreisky aufgrund der Erfahrungen im Aichfeld-Murboden erklärt,
daß nicht nur die Struktur der Betriebe verbessert werden muß, sondern
daß auch Schulen, Spitäler und sonstige Infrastrukturmaßnahmen einge-
leitet werden müßten. Maurer behauptete dann, dies sei für Schulen
und Spitäler nicht notwendig. In jedem Bezirk, der im Waldviertel
als kritisch betrachtet wird, gibt es die entsprechenden Schulen
und die Spitäler werden jetzt neu gebaut, wie in Zwettl oder Gmünd.
Maurer verwies darauf, daß Sofortmaßnahmen gesetzt werden müßten,
wie z.B. für die Firma Eisert oder für den Waldviertler Betrieb der
Vöslauer und dann eine weitreichende Konzeption ähnlich der Aichfeld-
Murboden, wobei allerdings diese Erfahrungen nur die Grundlage bilden
können, denn für Waldviertel gibt es andere wichtigere Gesichtspunkte.
Die Arbeitslosigkeit beträgt im Krems 4,4, in Horn 5,2, in Waidhofen
9,2, in Gmünd 9,5 laut Mitteilung Maurer, Siegmund LH-
Stellvertreter hat dann nachher erklärt 14 %, weil sie jetzt schon
und in Zwettl 11 %. Zwischen Czettel und Siegmund ergab es dann einen
heftigen Disput, weil dieser erklärte, was die Regelung Eisert
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für die nächsten 3 Monate eine Lösung zu finden und jeder kriegt
10.000 S um bei der Arbeitsmarktförderung den Anspruch zu erreichen,
als unzulänglich dargestellt wurde. Czettel meinte, man sollte den
Wahlkampf hier heraussen lassen, es handelt sich hier nicht um eine
Wirtshaus-Diskussion. Kreisky hat dann Sigmund hart attackiert, weil
dieser erklärte bis 1985 bräuchte man im Waldviertel 12.000 neue
Arbeitsplätze, die Tabakwerke hatten die Feuerzeuge von Bic gekauft
und Waffen die Eisert auch erzeugen könnte, hat das Verteidigungs-
ministerium dort nicht bestellt. Man sollte eine Werkzeugfabrik
errichten für die ÖMV und eine Lokomotivfabrik für die ÖBB oder zu-
mindestens Bestandteile im Waldviertel produzieren. Kreisky er-
widerte mit Recht, Schuld an dieser Entwicklung sei, eindeutig die
Privatfirma, wie eben die Strumpffabriken und jetzt Eisert. Der Streit
bringt aber nichts, man muß eine Konzeption entwickeln. Moser be-
richtet, daß der Wasserwirtschaftsfonds 550 Mio. in der nächsten
Zeit drauflegen wird von der Bund allein 470 Mio. beisteuert. In
Karlstein soll ein Zubau zur Schule erfolgen, der 20 Mio. S kostet.
Gleichzeitig müßte das Land jetzt endlich das Internat in Angriff
nehmen; die Gasleitung, die jetzt gebaut wird, wird Zwettl und andere
Orte mit Gas versorgen. Ich habe darauf verwiesen, daß es richtig
ist, daß die Gasleitung jetzt gebaut wird und dann auch die einzelnen
Orte anschließt, daß aber niemand die Garantie übernehmen kann, daß
dieses iran-sowjetische und daher sowjetische Austauschgas nach
Westeuropa, wofür 2 Mrd. m³ für Österreich bliebe auch geliefert
wird. Vom Fremdenverkehr bin ich der Meinung, daß der Vorschlag
Czettel, eine eigene Gesellschaft zu gründen, wobei die öffentliche
Hand allein sondern eben gute Wirtschaftsunternehmen sich daran be-
teiligen müßten.
Nach Erfahrung von einigen Ärzten, könnte das raue Klima im Wald-
viertel sehr wohl eine größere Fremdenverkehrs-Saison als derzeit
60 Tage, wenn es sich um eine Kur handelt erreicht werden. Ich
selbst schlug vor, nachdem jetzt Harbach die weiteren 20 Mio. ERP-
Kredit bekommt und damit 40 Mio. mindestens in Niederösterreich erwartet
dann erhalten haben, man sollte hier gewisse Aktivitäten durch In-
vestorenberatung aber vor allem auch durch entsprechende Konzen-
tration beim Fremdenverkehr neue Hotels usw. erweitern. Kreisky meint,
er selbst könne aus Wörishofen die Erfahrung beisteuern, daß dort
auch nichts als wie Wasser sogar nicht von besonders hervorragender
Qualität die Grundlage für den Aufschwung gewesen ist. Das Wasser
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allerdings wäre vollkommen nutzlos, wenn nicht gleichzeitig Kneipp
die Wasserkuren dort eingeführt hätte. Kreisky hat für das Wald-
viertel den Architekten Grünberger, der sogenannte Bäderpapst, dafür
gewonnen, daß auch für Treffpunkt eine Art Freizeitkonzentrations-
zentrum für Horn und Gmünd entworfen hat. Die Studie die ich mir
dort allerdings angesehen habe, war nichts anderes wie
von einer kleineren Freizeitzentrum und dann ringartig über diese
Halle sich das Zentrum ausdehnen kann.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß Dir die Unterlagen von Gehart geben!
Bundesrat Schneider berichtet, daß er in Gmünd mit 400 Managern
über die Möglichkeit von Investitionen verhandelt hat. Die wenigsten
wußten, daß sie 300.000 S investieren müssen, um vom Land 50.000 S
als Kopfquote und vom Bund 50.000 S durch ein Arbeitsmarktförderungs-
projekt bekommen können. Bei dieser Gelegenheit haben die Manager
darauf verwiesen, daß sie nicht nur die fragwürdigen Betriebe unter-
stützt sehen möchten, sondern daß man die bestehende Substanz er-
halten müßte. Zu diesem Zweck sollte die LKW-Steuer aufgehoben werden
die vorzeitige AFA die in der Vergangenheit wieder eingeführt und
auch die Exportindustrie stärker gefördert. Bezüglich Eisert ist er
mit Litschauer einer Meinung, daß die Länderbank, die jetzt 70 Mio. S
Kredite gewährt hat, die Gesamtsumme der Verschuldung beträgt
150 Mio. S, noch 27 Mio. S geben wird, wenn der Bund und das Land
die Absicherung übernimmt. Das Land wäre dabei einverstanden, wenn
es wüßte welches Ausmaß diese Kredithaftung annehmen könnte. Außerdem
muß vorher noch mit dem Masse-Verwalter verhandelt werden, der die
Konkursverpflichtung gegenüber den anderen Gläubigern abdecken muß.
Nussbaumer berichtet, daß die Gläubiger-Versammlung stattgefunden
hat, daß eine Bestandsaufnahme jetzt in 14 Tagen zu erwarten ist,
nachdem 30 Angestellte daran jetzt arbeiten. Der Masse-Verwalter ist
sehr positiv eingestellt, denn er hat auch die Lehrwerkstätte mit
den 30 Lehrlingen weiter beschäftigen lassen. Der Verlust, aus dieser
neuen Produktion zu der die Länderbank 27 Mio. Löhne zuschießen
wird, könnte maximal 10 Mio. sein, so daß je die Hälfte auf den Bund
und das Land entfallen. Entweder wird der Betrieb verpachtet, oder
der Masse-Verwalter wird ihn fortführen lassen. 3 Feuerzeugfabriken
haben sich gemeldet und 5 andere, konkret ist die Firma Faber-
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Kastel und wie mir dann Min.Rat Gröger mitteilte, Ullmann aus Deutsch-
land, der Rückleuchten erzeugen würde und als Zulieferer für Volks-
wagen in Betracht kommt, die bestmöglichen Bewerber. Kreisky faßte
zusammen, daß jetzt sofort ein konkretes Projekt ähnlich Aichfeld-
Murboden von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet werden soll, wo Glas
an der Donau, Sulfatfabrik an der Donau, General Motors eventuell auf
der niederösterreichischen Seite bei Enns und für Eisert eine Auffang-
gesellschaft geplant werden soll. Bezüglich der Glanzstoff in
St. Pölten hat er mit dem Direktor Zempelin verhandelt, daß der Be-
trieb und die Kunstseiden-Produktion nicht nur allein bis September
aufrecht erhalten werden kann, jetzt momentan ist ein richtiger Boom.
Kreisky hat noch angedroht, wenn die Niederländer Glanzstoff schließen,
würde eine österreichische Firma als Auffanggesellschaft vom Staat
entsprechend gefördert, die den Betrieb übernehmen. Seinerzeit die
Niederländer als sie das deutsche Eigentum zurückbekommen haben, haben
ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Betriebsarbeitsplätze erhalten
bleiben, jetzt will man die Kunststoffproduktion in Österreich ein-
stellen, um ein deutsches Werk besser auslasten zu können.
Nach der Sitzung hat Haiden mit Landesrat Bierbaum, in dem Fall als
Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreichs und mir über
die Weineinfuhren gesprochen. Bierbaum sieht ein, daß eine ent-
sprechende Einfuhr im Zuge des GATT-Kontingentes genehmigt werden
muß, weil ansonsten die Verhandlungen mit der Bundesrepublik über die
Exportmöglichkeiten von über 15-grädigen Weinen wieder gefährdet
wären. Bierbaum möchte aber, daß erstens vor dem 25. März nichts mehr
geschieht, was man ihm ohneweiters zusagen konnte und daß zweitens
aber dann doch letzten Endes Haiden die Entscheidung trifft. Haiden
selbst möchte aber und dafür habe ich volles Verständnis, dies nur
mit Zustimmung der Landes- und Wirtschaftskammer Wien resp. Nieder-
österreich machen.
Der ÖAMTC hat die Reisejournalisten zum Franziskaner eingeladen, um
eine Schallplatte Romantik Hotels in Deutschland, Schweiz und Öster-
reich vorzustellen. Der Generalsekretär dieser Organisation Jens
Diekmann hat mir mitgeteilt es gibt 111 Romantik-Hotels in Europa
und hat 30.000 Gäste. Da die Franziskaner auch ein Romantik-Gasthof
zumindestens ist, war es selbstverständlich, daß dort der ÖAMTC-
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Reisebüro-Leiter Strouhal, dem Gen.Sekretär Veith und mir die erste
Platte überreichte.
Der koreanische Botschafter Dzong ist ausschließlich mit einer Inter-
vention zu mir gekommen, nämlich daß ich mich einsetzen soll, damit
sie die 18 Vortriebsmaschinen, die Korea vor Monaten von der VÖEST
verlangt hat, endlich geliefert bekommt. Sie haben zweimal über die
Angebote verhandelt, die am 30. Jänner noch wegen der Preise nicht
abgeschlossen werden konnten. Da die Koreaner in bar zahlen, haben
sie angenommen, daß bei der anderen Besprechung am 4. Februar der
Vertrag fixiert werden könnte. Bis jetzt aber haben sie noch immer
keine positive Erledigung. Die VÖEST und das weiß ich verbindlich,
will die 18 Bohrmaschinen deshalb nicht schicken, weil die Süd-
Koreaner erwarten oder befürchten, daß damit die unter der Grenze
gegrabenen Tunnels nur noch schneller und noch weiter nach Süd-Korea
vorangetrieben werden können. Die Süd-Koreaner meinen, daß es sich
hier zwar um Kohlenabbaumaschinen handelt, daß diese aber in keinen
Bergwerken eingesetzt werden. Ich habe daher dem Botschafter auch
nichts anderes zugesagt, als er meinte, ich müßte doch eine Lösung
finden können, daß ich nur mit dem Gen.Dir. Apfalter darüber sprechen
werde.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte bei nächster Anwesenheit Apfalter
in Wien, Termin vereinbaren.
Beim Jour fixe mit AK/ÖGB diskutierten wir selbstverständlich unsere
Energie-Situation. AK, Zöllner, ÖGB, Schmidt und Tumpel sind der Meinung,
daß die Versorgung mit Benzin bis zur Wahl gesichert ist, weil
die ÖMV eben entsprechende gegebenenfalls zu teureren Preisen durch-
führen müßte, falls die Internationalen tatsächlich eine Versorgungs-
lücke herbeiführen. Das einzige Problem, das sich daraus ergibt,
wären höhere Preise, die aber ab 6. Mai erst zur Diskussion gestellt
werden können. Die freien Tankstellen könnten gegebenenfalls in
der nächsten Zeit ihre Kunden voll befriedigen. Der Angebots-Ausfall
international ist verkraftbar, die Nachfragesteigerung aber, wenn
tatsächlich dann daraus ein Run auf die Tankstellen entstehen würde
nicht. Die ÖMV hat im vergangenen Jahr 2,8 Mio. t für die Multis
verarbeitet, die Kapazität der ÖMV würde, wenn sie entsprechende
Rohölmengen bekommt ausreichen, um auch die freien Tankstellen-Be-
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dürfnisse zu befriedigen. Die Einspar-Propaganda oder Energiespar-
parole hat hier nur sehr wenig geholfen. Kienzl meinte wir müßten
schichtenspezifische Propaganda bei der Energie machen, noch steht
das Energieproblem an erster Stelle und erst die Vollbeschäftigung
die eben jetzt größtenteils gewährleistet ist und daher die Leute
nicht beunruhigt an zweiter. Ich habe freimütig zugegeben, daß die
öffentliche Meinung derzeit gegen mich spricht, ich glaube auch, daß
mein Image dadurch sehr gelitten hat. Diese Meinung teilen die anderen
nicht, Grünwald meint nur, ich müßte halt aufhören mich immer auf
die Nicht-Kompetenz zu berufen. Dies ist eine falsche Politik und
nur auf meine Trotzhaltung zurückzuführen. Politik wird niemals ge-
macht, indem man sagt, ich habe eine Kompetenz oder ich habe keine,
sondern Politik wird gemacht, indem man eben eine Aufgabe an sich
reißt, sie erfüllt, ganz unabhängig ob man dafür berufen ist oder
nicht. Koppe meinte, in den vergangenen Jahren hätten wir immer eine
Politik gemacht, wenig Kompetenz dafür viel Initiative. Nach reif-
licher Überlegung muß ich sagen, daß sie recht haben, für mich ist
es deshalb nur so schwer, in den Griff zu kriegen, weil ich halt
leider feststellen muß, daß die ganzen Spar-Appelle nichts bringen
und ich davon nichts halte. Grünwald meinte mit Recht, diese letzten
Sätze dürfe ich mir zwar denken, aber dürfte sie nie aussprechen.
Grünwald bestätigt, daß eine Aluminium-Einfuhr aus Ungarn überhaupt
nicht in Frage kommt. Derzeit bezieht Ranshofen von den Ungarn
Tonerde, die 80.000 t, die sie produzieren können, resp. die
33.000 t, die sie aufgrund des Vertrages von Rinhold in Hamburg noch
dazukaufen müßten, reichen auf lange Sicht aus, um ihren Bedarf
hinlänglich zu decken.
IBM ist bereit in Österreich nicht nur Lager und eine entsprechende
Vertriebsorganisation sondern auch jetzt die Reparaturen und ein
Einkaufszentrum zu errichten, außerdem sucht IBM Zulieferer für
Produktion nach Deutschland. Grünwald hat mir dann noch mitgeteilt,
daß auch die Möglichkeit besteht, einen größeren Montagebetrieb in
Österreich zu errichten. IBM hat die OECD-Richtlinien anerkannt
und wird alle Unterlagen die das Handelsministerium braucht zur
Verfügung stellen.
Bezüglich der Förderung für die Textilindustrie besteht jetzt von
der Handelskammer der Wunsch, diese auch auf die Bekleidungsindustrie
auszudehnen. Der Gewerkschaftsbund befürchtet und dies nicht ganz
zu Unrecht, daß dadurch alles wieder zersplittert wird. Es gibt
mehrere Branchen und nicht nur die Bekleidungsindustrie allein, die
dringend einer solchen spezifischen Strukturänderungsbehandlung
bedürfe. Nach Papier müsse eben jetzt erst Textil in Ordnung gebracht
werden und nicht dann noch eine halbes oder ein Dutzend von zusätz-
lichen anderen Fachverbänden ebenfalls solche Forderungen stellen.
Dies könnte der Staat finanziell nicht verkraften.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Warten, wie das Finanzministerium entscheidet
und welche Mittel es dafür zur Verfügung stellen könnte.
Tagesprogramm, 16.2.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)