Dienstag, 22. April 1980
Die Mitwirkung der Bundesländervertreter am Zustandekommen
der Österreichischen Bundesverfassung 1920 wurde auf der einen
Seite bei der Begrüßungsansprache von LH Haslauer, derzeitiger
Sprecher der Bundesländer, und auf der anderen Seite von Bundes-
präsident Kirchschläger dargestellt. Haslauer hielt eine blen-
dende, vollkommen freie Rede, ohne auch nur ein Wort auf einem
Zettel aufgeschrieben zu haben. Ich kenne ihn jetzt schon jahr-
zehntelang, rhetorisch ist er im wahrsten Sinne des Wortes un-
schlagbar. Inhaltlich legte er dar, daß die Bundesländervertreter
bei ihren 2 Konferenzen, eine in Salzburg, die zweite in Linz,
nur eine Absicht kannten, einen föderalistischen Bundesstaat
zu errichten, der den Ländern ihre Eigenart lassen soll und wo-
möglich ähnlich der Schweiz, ohne daß er diese Wort aussprach,
zusammengesetzt werden sollte. Kirchschläger dagegen schilderte
dann, er hatte, dies konnte man eindeutig feststellen, die Proto-
kolle alle gelesen, wie es wirklich ablief. Damals wie heute,
stießen die Meinungen über einen solchen Bundesstaat sehr aufei-
nander. Die Wiener Delegierten, aber auch die Delegierten der
Bundesländer, soweit sie Sozialdemokraten waren, hatten ganz
andere Vorstellungen als die der Christlichsozialen. Jedermann
verstand etwas anderes unter dem Begriff Bundesstaat. Unwahr-
scheinlich, daß es damals doch innerhalb sechs Wochen gelungen ist,
in einem Unterausschuß des Parlaments einen Verfassungsentwurf
fertigzustellen, der letzten Endes dann auch die Zustimmung ge-
funden hat. Dies wurde von keinem der beiden Redner gesagt, denn
schließlich und endlich sollte ja das Mitwirken der Bundesländer
bei dem Zustandekommen der Österreichischen Bundesverfassung
gefeiert werden. Bei Tisch hatten dann Lausecker, aber auch der
Vorsitzende der Sozialisten im Bundesrat, Skotton, der sich aller-
dings, da er jetzt auslauft, als politische Leiche schon be-
zeichnet und auch in darüber noch weitere Diskussionen mit LH
Keßler von Vorarlberg. Umso deutlicher kam mir zum Bewußtsein,
wie sehr es schwierig ist die Verfassung zu schaffen und, noch
viel wichtiger, sie dann auch im Prinzip zu erhalten und womöglich
nicht durch ständige Verfassungsänderungen nur weitere Kämpfe
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zu ermöglichen. LH. Keßler mußte zugeben, daß keine Regierung
bisher als die Regierung Kreisky den Ländern so viele Zuge-
ständnisse bei ihren Verfassungswünschen, allerdings nur, wie
er sagt, auf nebensächlichen Gebieten, zugestanden hat. Wenn
diese Gebiete so nebensächlich waren, warum hat dann das Land
diese Kompetenzen verlangt. Natürlich schwebt den Vorarlbergern
womöglich die Schweizer Bundesverfassung und bundesstaatliche
Regelung vor. Dort allerdings hat der Zentralstaat im wahrsten
Sinne des Wortes die größten Schwierigkeiten mit den starken
Autonomien der Länder.
LH Kery und LRat Vogl, die ich beide bei dem Essen getroffen
habe, informierte ich, daß ich jetzt doch bitte so schnell als
möglich die endgültige Umweltschutzauflage zu machen. Kery er-
klärte zu meiner größten Verwunderung, er würde für beide Stand-
orte, sowohl Rechnitz als auch Bildein, eine Entschwefelungsanlage
vorschreiben. Ich habe ihn ersucht, es sollte doch er die For-
mulierung, die LH Niederl für Voitsberg gefunden hat, alle Vor-
kehrungen zu treffen, damit, wenn die wirtschaftliche und tech-
nische Möglichkeit der Entschwefelung und vor allem die Notwendig-
keit sich herausstellt, dann eine solche Anlage sofort eingebaut
werden kann. Kery erklärte sich im Prinzip mit einer solchen
Lösung auch einverstanden. Er möchte nur nicht eine Diskrimi-
nierung der Rechnitzer, die sich, glaube ich, bei ihm genauso be-
schwert haben wie bei mir.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte auf Besprechung mit Fremuth
setzen.
MR Sterk berichtet mir, daß bei der Bleiberger in ihrem Revier
Kreuz die Stollen verbrochen sind und deshalb 40 % der Produk-
tion stillgelegt werden konnten. Es wird zwar jetzt noch eine
Kommission sich im Detail damit beschäftigen, aber er sieht
keine Möglichkeit dort durch entsprechende Sanierungsmaßnahmen
die weitere Genehmigung zum Abbau geben zu können. Die Möglich-
keit in Graz, Paläozoikum mit einem neuen Bergbau ausweichen
zu können ist gering. Die Bleiberger müßten S 32 Mio investieren
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Die BBU hat aber im vergangenen Jahr S 99 Mio. Defizit ge-
habt, dieses Jahr sind S 66 Mio präliminiert, wird aber durch
den Ausfall von 40 % der Produktion auf S 100 Mio steigen. Wenn
in Graz übrigens das Erz abgebaut wird, müßte es dann nach
Arnoldstein zur Verarbeitung geschickt werden, eine weitere
große Betriebskostenbelastung.
Sterk ersuchte dann auch, daß bei der Bestellung des neuen
Sektionsleiters die Interessen der Obersten Bergbehörde mehr
berücksichtigt werden, als dies bei der bisherigen Bestellung
der Fall war. Sterk hat sich mit Sekt.Chef Frank zuletzt schon
sehr schwer getan und die Zusammenarbeit hat sehr darunter ge-
litten. Ich erklärte ihm, daß die Kommission, die letzten Endes
mir die Vorschläge machen wird, dies sicherlich entsprechend
berücksichtigt.
Die sozialistische Fraktion vom Schwarzenbergplatz, also der
Fraktionsobmann Müller, Fr. Dr. Hille, sind neuerdings erschienen,
um gegen den Ausschreibungstext für die Energiesektion zu
protestieren. Sie zeigten mir loyalerweise einen schon fertigen
Brief an Bundeskanzler Kreisky und erklärten, daß einhellig
dies die Auffassung aller Sozialisten in der Sektion ist, wie
sie meinten, mit einer einzigen Ausnahme. In diesem Brief wird
zu meiner größten Verwunderung bereits geschrieben, daß Hladik
unter gar keinen Umständen Sektionschef werden dürfte. Müller hat
sogar gemeint, man sollte eher MR Sterk dazu berufen. Die Frak-
tion legt, was selbstverständlich ist, keinen Wert darauf, daß
dieser Brief aktenmäßig behandelt wird, hat mir aber dann eine
Kopie gegeben. Ich konnte auch ihnen nichts anderes Offizielles
sagen, als daß ich den Vorschlag der Ausschreibungskommission
abwarte.
MR. Steiger ist von der Stellungnahme der Handelskammer zu den
EG-Griechenland-Beitritt- und Österreich-Verhandlungen erschüttert.
Er hat mir sehr glaubwürdig und meiner Meinung nach vollkommen
berechtigt geklagt, daß es hier nur um eine Konstruktion des
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Referenten Dr. Schwarz von der Handelskammer geht, der unter
allen Umständen seine Meinung durchsetzen will. Die EG hat
zweifelsohne bei den Beitrittsverhandlungen Griechenland unbe-
dacht oder mit Absicht, das kann man schwer feststellen, eine
Diskriminierung der EFTA-Staaten eingebaut. Die EFTA-Staaten
haben sich auch zuerst darauf geeinigt, sich dies nicht gefallen
zu lassen. Bei den Verhandlungen ist dann allen anderen EFTA-Staa-
ten klar geworden, daß sie auf der einen Seite die angebotenen
Lösungen der EG akzeptieren können und auf der anderen Seite
nicht wie ein Shylock auf eine Rechtsverletzung der EG herum-
reiten sollen. Alle haben deshalb mehr oder minder diese Lösung
schon akzeptiert. In Österreich nur wird jetzt von der Handels-
kammer verlangt, daß ich unter gar keinen Umständen diesen Ver-
trag unterzeichnen sollte und dürfte. Das Außenministerium steht
dagegen genauso wie Steiger und alle Leute im Handelsministerium
auf einer gegenteiligen Meinung. Da zwar unabhängig vom Griechen-
land-Beitritt, aber doch im Zusammenhang mit diesem die EG bereit
ist, der Landwirtschaft statt 38.000 Höhenrinder noch 7000 zuzu-
gestehen, also 45.000 in Hinkunft zu akzeptieren, wird auch der
Vertreter der Landwirtschaft sehr bald von seiner harten Linie
gegen die EG abschwenken, wenn er dies nicht sowieso schon ge-
macht hat. Die jetzt von der Landwirtschaftskammer geforderte
harte Linie wird in diesem Fall von ihr sofort aufgegeben, wenn
sie ihren Vorteil ins Trockene gebracht hat. Die Handelskammer
oder, besser gesagt, die gewerbliche Wirtschaft könnte aber,
wenn wir als einziger EFTA-Staat jetzt mit der EG diesen Krieg an-
fangen, bei allen administrativen Wünschen, Vorschlägen und vor
allem doch immer wieder von der EG abhängigen Lösungen in Hin-
kunft sehr benachteiligt werden. MR Steiger konnte deshalb
nicht genug davor warnen, nichts mehr zusätzlich unternehmen.
Auch mein Anbot, daß ich gegebenenfalls mit Gen.Sekr. Kehrer nach
Brüssel fahre, um dort neuerdings zu intervenieren, hält er
für vollkommen unzweckmäßig. Die Ministerienvertreter und
die Kammern haben sich über dieses Problem lang und breit
unterhalten und meinen, es besteht jetzt keine Chance mehr
irgendetwas materiell ändern zu können. Ich habe daher sofort
GS Kehrer angerufen und ihm empfohlen, eine diesbezügliche
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Aussprache zwischen Steiger und ihm. Da ich eine vollkommen
offene auch zwischen Parteifreunden bei ihnen wollte, habe
ich zwar angedeutet und vorgeschlagen, dass ich bereit bin,
diese Absprache bei mir abzuhalten. Kehrer ersuchte aber,
was ich übrigens auch erwartete, dass diese bei ihm erfolgen
sollte und dass man mich dazu nicht belästigen müsste. Ich habe
Min.Rat Steiger gesagt, dass ich nach wie vor bereit bin und es sogar
aus innerpolitischen Gründen für zweckmässig halte, dass GS Kehrer
und ich nach Brüssel fahren, damit er sich gegebenenfalls
persönlich davon überzeugen kann, wie die Meinung in Brüssel tat-
sächlich ist und ob unsere Beamten recht haben oder die seiner
Handelskammer.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Auf Jour fixe AK/ÖGB setzen.
Bei der Landeskonferenz der Wiener Naturfreunde wurde ich, weil
kein anderer mehr Zeit hatte, vom Wiener Vorstand als dessen
Delegierter entsandt. Einleitend wurde ein Lichtbildvortrag
über den Naturpark Hohe Tauern gezeigt. Natürlich wurde dort
das Elektrizitätsprojekt Osttirol entsprechend attackiert, ich
ging bei meiner Ansprache auf diese Problematik des Naturparkes
Hohe Tauern ein. Ich erklärte meine volle Zustimmung, dass die
Naturfreunde jetzt eine Unterschriftenaktion für Hohe Tauern
Naturpark starten. Aufgabe der Naturfreunde kann es nur sein,
ohne Rücksicht auf die ökonomische Lösungsmöglichkeit und Lösungs-
notwendigkeit ausschliesslich ihre Naturfreunde-Interessen dort
zu vertreten. Ich habe nur um Verständnis für die anderen, die in
diesem Gebiet leben müssen und wirtschaftlich auch erschlossen
werden müssen, gebeten. Bedankt habe ich mich dann bei den
Naturfreunden ganz besonders dafür, dass sie bei der Aktion "Wander-
bares Österreich" stets mitmachen. Besonders habe ich natürlich
herausgestrichen, dass diese Regierung immerhin die alpinen
Vereine jetzt mit 15 Mio S jährlich unterstützt. Der Vorsitzende
der Konferenz und gleichzeitige Wiener Obmann Ing. Hofstetter
hat dann auch sehr freundschaftlich geantwortet und nur bedauert,
dass ich auf ihrem letzten Wandertag nicht teilnehmen konnte,
da ich leider eine andere Verpflichtung hatte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte für nächsten Wandertag unbedingt
Termin freihalten und zeitgerecht sich informieren.
Als Vertreter der Bundesorganisation war der Generalsekretär
der Naturfreunde Safner anwesend. Dieser teilte mir zu
meiner grössten Überraschung mit, dass meine Teilnahme bei
dem Alpenverein-Aussprache in der Rudolfshöhe unbedingt
notwendig wäre. Klubobmann Fischer dürfte hier einer Fehl-
information unterlegen sein. Er selbst kommt ebenfalls hin
und will mich nur warnen, dass ich dort von den Alpinen
Vereinen und wahrscheinlich ganz besonders vom Alpenverein hart
attackiert werde. Da ich aber auf dem Standpunkt stehe, es
ist immer noch besser, sich zu stellen, als sich zu drücken,
war ich über diese Mitteilung, dass ich daran teilnehmen soll,
sehr erfreut.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mich sofort mit Fischer verbinden.
In der Sektionsleitersitzung hat es dann über meinen politischen
Bericht eine lange Diskussion gegeben. Die wirtschaftliche
Seite und auch die sonstigen Probleme sind in den Hintergrund getre-
ten, in der Diskussion ging es ausschliesslich um das Problem
Kreisky-Androsch. Die grössere Mehrheit meinte, dass das Vor-
gehen beider Genossen unqualifiziert war. Massenmedien eigenen
sich nicht für Gigantenkämpfe, war die treffendste und härteste
Aussage. Interessant war, dass die meisten Verständnis für
Androsch hatten, dass er als Freiberufler seine Kanzlei
weiterbehalten will, die härteste Formulierung dagegen war,
dass er ein guter Finanzminister, ein guter Geschäftsmann,
aber ein schlechter Sozialist ist, manche sagen sogar, er ist über-
haupt kein Sozialist. Kreisky wieder wurde vorgeworfen, dass
er zuerst seine Kronprinzen sich aussucht und dann sie im
Stich lässt. Eine so schlechte Stimmung habe ich schon lange
nicht erlebt. Viele bezeichneten sich selbst und die Vertrauens-
leute als Trotteln, die letzten Endes diese Auseinandersetzung
in den Sektionen und in den Betrieben auszutragen haben. Eine so
tiefe Wirkung hatte ich, das muss ich gestehen, eigentlich nicht
erwartet. Sowohl in meinem Bericht als auch in meinem Schluss-
wort habe ich zum Glück deutlich gemacht, dass ich die ganze
Angelegenheit leider nicht als erledigt betrachte. Hoffentlich
habe ich unrecht.
Tagesprogramm, 22.4.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)