Donnerstag, 24. September 1981
In der 10. Tavola Rotonda, eine Veranstaltung der italienisch-österrei-
chischen Handelskammer, war der mittlere Saal des Bruckner-Hauses ganz
schön gefüllt. 70 Italiener waren nach Linz gekommen, um über italienisch-
österreichische Exportprobleme zu diskutieren. Große Begeisterung
herrscht bei den Italienern wirklich darüber, daß ich von den 10 Tagun-
gen an 7 teilgenommen habe. Der österreichische Vorsitzende Graf Kornis,
Generaldirektor von der Versicherung Generali, gab einen Überblick seit
der Gründung der italienisch-österreichischen Handelskammer 1968 und über
die bisherigen 9 Tagungen. Der Präsident der italienischen Seite,
Magnioni, Rechtsanwalt aus Mailand, verwies darauf, daß bei der zweiten
Tagung gerade das Südtirolproblem die politischen Beziehungen zwischen
Österreich sehr belastete. Der italienische Botschafter Bacchetti meinte,
jetzt gibt es wirtschaftliche Schwierigkeiten in unseren Handelsbezie-
hungen. Bei meinem Einleitungsreferat konnte ich daher gleich damit
beginnen, daß uns wirtschaftliche Schwierigkeiten viel lieber sind als
politische, die wir übrigens auch sicherlich, wenn die Konjunktur wieder
einsetzt, leicht überwinden können.
Da ich vom Handelsministeriumsreferenten Dr. Raaber eine sehr ins De-
tail gehende Information bekommen habe, nützte ich die Gelegenheit, um
sofort alle von den Fragen , wie spezialisierte Zollabfertigung, Behinde-
rung bei Stahl, heute weniger, weil das Zollamt Udine jetzt offen ist,
für die Stahlabfertigung wird nur mehr noch gewünscht, daß das Zollamt
Bozen auch dafür geöffnet wird. Bei Textilien sind wir jetzt leider
überhaupt noch nicht weitergekommen, was ich dann besonders bemerkte.
Ziffernmäßig konnte ich nachweisen, daß bei Importen und Exporten auf
dem EGKS-Sektor wir fast das vereinbarte Niveau 1967 erreicht haben.
Bei Kommerzstahl 2,1 % überzogen, gegenüber 27 % der Italiener, bei
Edelstahl 10 1/2 % überzogen, bei 158 % der Italiener. Das Gerichtsver-
fahren der Entladegebühren für Mineralöl im Hafen Triest als auch die
neue Waggongebühr, 15.000 Lire Zusatzabgabe, wurde von mir kritisiert.
Auch die Diskriminierung unserer Frächter, welche zum Unterschied von
den EG-Ländern den Vorsteuerabzug nicht im grenzüberschreitenden Be-
förderungsverkehr erstattet bekommen. Der einzige schwache Punkt der
Information war die seit Mai 81 bestehende 30 %-ige Importdepotverord-
nung. Die Verlängerung wird nicht, wie in der Information angenommen
diskutiert, sondern, wie Gott sei Dank in seinen Einleitungsbemerkungen
der österr . Honorarkonsul in Linz, Beinkofer, schon mitgeteilt hat, ver-
längert bis März, wobei allerdings im Dezember nur mehr 25, im Jänner 20
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und im Februar 15 % Ladedepot erlegt werden müssen. Hier hätte ich mich
sicherlich ein wenig blamiert, wenn ich, wie es ja meine Gewohnheit ist,
über Details gesprochen hätte, und mich nicht als sehr gut informiert
ausgewiesen hätte. Die auch für die Touristen vorgesehene Depotpflicht
wird, wie mir dann der Leiter der Enit, Bonvecchio, mitteilte, abge-
schafft.
Wichtiger als die Tagungsvorträge, den Vortrag von Dr. Mauri über die
italienische Devisenpolitik mit der interessanten Bemerkung, die ita-
lienische Wirtschaft wird mit 3–4 Mrd. Lire durch die Depotverpflich-
tung belastet, war für mich die Aussprache mit den verschiedensten ita-
lienischen Vertretern. Beamte des Außenhandelsministeriums, und da in
Italien das Außenministerium groß die Koordination der Wirtschaft und
sonstiger Politik bearbeitet, auch mit dessen Vertretern, gaben mir die
Gelegenheit, die ganzen Details noch einmal mit ihnen zu besprechen und
sie um entsprechende Intervention in Brüssel für Österreich zu bitten.
Dies gilt ganz besonders auch für die erwartende Aufnahme von Spanien
und Portugal in die EG, damit Österreich dann nicht diskriminiert wird.
Wie erwartet, können die italienischen Beamten, aber auch der italienische
Handelsrat in Österreich, Montecalvo, keine bindenden Erklärungen abgeben.
Sie werden sich nur, wie mir versprochen wurde, sehr einsetzen und in
Rom entsprechend berichten. Wichtig ist nur, wie Gesandter Buchauer auch
dort erklärte, daß wir schriftlich unsere Wünsche über Montecalvo neuer-
dings in Rom deponieren.
ANMERKUNG FÜR BUCHAUER: Bitte einen entsprechenden Brief mit Sekt. II
besprechen.
Die Italiener beschwerten sich über die Einfuhrbeschränkung von Nelken.
Sie können nicht verstehen, daß die pythosanitären Vorschriften schein-
bar nur gegen Italien angewendet werden. Eine bessere Regelung wünschen
sie bei den Spaghetti, beunruhigt sind sie durch ein Gerücht, wonach jetzt
Käse kontingentiert werden soll.
ANMERKUNG FÜR BUCHAUER: Prüfe, was daran wahr ist, und verständige dann
Montecalvo.
Wichtig war dann die Aussprache mit den Vertretern der neuen Gesellschaft
Terminale Trieste. An dieser AG ist Agip Carbone mit 50 % beteiligt, der
wichtigste Mann war der Direktor Rieghi, der anwesend war, neben de Vito,
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dem Generaldirektor der österreichischen Agip. 15 % hat der Triester
Hafen, der Vertreter ist ein in Österreich ansessender Pelikan, der auch
immer die Übersetzungen vornimmt, und 35 % werden von einer ähnlichen
Organisation wie die Industriellenvereinigung treuhänderisch verwaltet,
der Vertreter Leonida war ebenfalls bei der Besprechung. Diese 35 %
sollen dann ausländischen Interessenten gegeben werden. Der Shell-Vertre-
ter Stemberger, Geschäftsführer der Adriahafenstudiengesellschaft, die
aus Elektrizitätsunternehmung, Vöest-Alpine und Ölgesellschaften besteht,
hat erklärt, sie werden jetzt trachten, alle Unterlagen zusammenzustel-
len. Der Triester Hafen wird auf 15 Mio. to Kohle-, Erzanladung ausgebaut,
180 Mio. $ Investitionen sind notwendig. Ein Drittel dieser Kapazität
kann für Ausländer, sprich Mitteleuropäer, insbesondere Österreich und
vielleicht auch Bayern, zur Verfügung gestellt werden. Ich halte es auch
gar nicht für ausgeschlossen, daß vielleicht die Ungarn an solchen Be-
zügen interessiert sein können. Der wirkliche Flaschenhals wird nach
wie vor die Bahn sein. Der italienische Bahnvertreter Bucchio verwies auf
die Schwierigkeiten, die es gibt. Um 1 Mio. to Kohle, die in der ersten
Phase jetzt sehr bald angelandet werden, müßte die Bahn entsprechende
große Transportwagen mit 55 to Nutzlast bestellen. Allein für die Waggons
und zusätzlichen Lokomotiven sind, nachdem die Italiener gar keine An-
gaben machen konnten oder wollten, wie der Präsident der Villacher Bahn
verwaltung, Pontach, mir mitteilte, 150 Mio. S notwendig.
ANMERKUNG FÜR BUCHAUER: Informier' bitte die V-er Sektion und laß Dich
von Stemberger stets am Laufenden halten.
Eine Pressekonferenz, die in Linz abgehalten wurde, zeigte mir deutlich,
daß auch die dortigen Journalisten erst mühsamst zu Fragen ermuntert
werden können. Die Idee, dort nur eine Fragestunde mit mir zu veranstal-
ten, ist total gescheitert. Die hätten überhaupt nichts gefragt, letzten
Endes wurde dann aber doch von mir die ganze Palette unserer Wünsche als
auch die beabsichtigte Energieversorgung natürlich, dann auch noch die
Benzinpreisentwicklung diskutiert.
Der Generaldirektor der ENIT, Bonvecchio, hat mir dann mitgeteilt, daß sie
einen 10 %-igen Rückgang der Touristen heuer gehabt haben, daß sie so-
gar aber auf noch schlechtere Ergebnisse eingestellt waren, und daß vor
allem in nächsten Jahr wieder die carte carburante , also die Benzinmarken,
als auch jeder zwei Gutscheine à 5.000 Lire für die Autobahn bekommt.
Damit, rechnen sie, werden sie wieder die Ausländer stärker nach Italien
locken. Bonvecchio, den ich mit einem hohen Orden seinerzeit ausgezeich-
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net hatte, ist wie er mir erzählte, Sohn von einem österreichischen
Beamten, der auch unter dem Kaiser gedient hat, und deshalb möchte er
liebend gerne ein Ölgemälde von Kaiser Franz Josef in Uniform kaufen.
Ich habe ihm zugesagt, ich werde mich diesbezüglich bemühen.
ANMERKUNG AN ALLE: Wer kann mir helfen?
In Linz traf ich auch mit Gen.Dir. Buchner von der Chemie Linz zusam-
men, dieser ist wirklich ganz verzweifelt, wie er aus dem Dilemma der
Düngemittelpreise herauskommt. Die Landwirte bestehen wir Shylock auf
seinen Schein, daß er trotz der Gaspreiserhöhung die Preise, die die
PK genehmigt hat, einhalten muß. Dies führe ich darauf zurück, daß sie
weniger mit den Preisverfahren der PK rechnen, als daß Buchner mir un-
erklärlicherweise zugesichert hat, trotz Gaspreiserhöhung würde er den
Kontraktpreis dieses Jahr einhalten. Buchner muß nun wesentlich höhere
Gaspreise bezahlen, als er gerechnet hat, und kann dies, wie er mir er-
klärte, unter gar keinen Umständen in die Kalkulation einbauen, aber auch
unter gar keinen Umständen aus seinem Stickstofferlös bezahlen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN : Bitte AK Jour fixe und HK setzen.
In der Generalversammlung der Deutschen Handelskammer in Österreich habe
ich einleitend über die Wirtschaftsbeziehungen, über Ost und West be-
richtet und ganz besonders auf die neue Methode der langfristigen Ver-
träge mit den 2- bis 3-jährigen Unterverträgen, die dann auch die einzel-
nen Firmen und sowjetischen Außenhandelsorganisationen ansprechen, wie
sie diese Geschäfte und welche Geschäfte sie abwickeln sollen. Der Prä-
sident der Berliner Handelskammer, Elfe, berichtete dann über die Berliner
Situation. Überrascht war ich, daß der Ost-West-Handel in Berlin doch
verhältnismäßig eine geringe Rolle spielt, der Interzonenhandel mit der
DDR macht 1 1/2 % des Handelsvolumens aus. 5 % von Berlin werden sozus-
agen exportiert, 30 % aber aus der DDR importiert. Für diesen Interzonen-
handel haben sie einen Swing von 250 Mio. abgeschlossen, 850 Mio. hat er
erreicht und läuft mit Ende des Jahres ab, er muß neuerdings verhandelt
werden. Überraschend für mich war auch, daß der ganze RGW, d.h. der
ganze Staatshandelsexport von 6 Mrd. DM, in Summe nur 5 % ausmacht, wäh-
rend von 4,6 Mrd. DM in Summe Import in Deutschland, der RGW-Anteil immer-
hin 14 % beträgt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was wissen wir davon?
Handelskammerpräsident Dittrich in Wien berichtete darauf, daß Berlin
günstiger ist, denn die bekommen 10 Mrd. Subventionen und haben nur 4 %
des Bruttoinlandsprodukts Anteil, während Wien mit 30 % Bruttoinlands-
produktanteil 17 Mrd. S Finanzausgleich an andere Länder entrichten muß.
Die Mediendiskussion, die es dann gab, mit Bacher und anderen, habe ich
mir natürlich nicht mehr angehört.
Die Welturaufführung
Leistung. Angeblich wurde das Leben des großen deutschen Schauspielers
und Regisseur Gründgens als Grundlage genommen, die Zeit wurde genau
charakterisiert, Gründgens und vor allem seine Verwandten haben sich
angeblich sehr dagegen ausgesprochen, daß dieser Stoff verfilmt werden
sollte, in Wirklichkeit habe ich den Eindruck, vielleicht allerdings
nach 30 Jahren später, das Gründgens dabei gar nicht so schlecht weg-
kommt. Alles was dargestellt wurde, war tieftraurig, aber menschlich.
Tagesprogramm, 24.9.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)