Donnerstag, der 11. März 1982

64-0308

Donnerstag, 11. März 1982

In der SPÖ-Klubfraktionsbesprechung für den Hauptausschuß gab es außer
der Postgebührerhöhung und meiner uninteressanten Endliberalisierung der
Schlittschuhe wegen der starken Importe aus Taiwan nur das Thema Gaddafi-
Besuch. Weil ich gestern am Flughafen beim Empfang anwesend war, wollten
alle von mir teilweise wegen der Hetz halber Spezialinformationen. Der
Reporter der Kleinen Zeitung, Winkler, berichtete, daß ich bei der An-
kunft als einziger nicht meinen Humor verloren hätte und gesagt haben
soll, der schaut lieb aus. Unser Pressereferent Vecsei rief den Redak-
teur dann auch an, um festzustellen, daß ich eine solche Äußerung nie
gemacht habe, da sie auch gar nicht meinem Stil entspricht. Der Redak-
teur stand zwar einige Meter von uns entfernt, behauptete aber, diese
Äußerung von mir gegenüber Außenminister Pahr genau gehört zu haben.
Wenn er diese Äußerung auf das Spektakel bezogen hätte, kann es stimmen,
niemals aber hatte ich dies auf eine Person bezogen.

Im Plenum wurde der Sicherheitsbericht behandelt und natürlich auch
dort von der ÖVP der Gaddafi-Besuch angeprangert und Innenminister Lanc
Amerikafeindlichkeit in die Schuhe geschoben. Dieser wehrte sich ähn-
lich heftig als gestern Landwirtschaftsminister Haiden wegen seiner
sozialistischen Parteipersonalpolitik und es kam wieder zu ähnlichen
Tumultszenen.

Beim Gespräch mit dem ital. FV- und Spettacolo-Minister Signorello sowie
dem Präs. d. FIAVET-Kongresses Magnoni, wurden die Fremdenverkehrsakti-
vitäten auch ziffernmäßig neuerdings festgestellt. Von Italien be-
stehen nur 79er-Ziffern. Danach waren 1 Mio. Österreicher in Italien
und hatten 7.8 Mio. Übernachtungen verbracht. Die österr. Ziffern aus
dem Jahre 1981 zeigen das 361.000 Italiener nach Österreich kamen, aber
nur 831.000 Übernachtungen gezählt wurden. Dreimal so viele Österreicher
fahren nach Italien, als Italiener in Österreich ankommen, doch 10 x
so viele Übernachtungen in Italien, als die Italiener in Österreich
verbringen. Signorello stellte mit Recht fest, die Österreicher kommen
eben auf Urlaub, die Italiener zum großen Teil geschäftlich oder für
kürzere Kunstbesuche. Signorello machte den Vorschlag, wir sollten in
Amerika eine gemeinsame Werbung durchführen, um die Amerikaner nach
Europa zu bringen. Damit erklärte ich mich sofort einverstanden, meinte
aber, daß es notwendig sei, nicht nur Nordamerika, sondern eben Süd-
amerika und vor allem Japan in dieser Hinsicht zu bearbeiten. Zuerst
müssen sie nach Europa kommen, dann erst sollte unser Konkurrenzkampf


64-0309
beginnen, wer imstande ist, die Gäste länger in seinem Land zu binden.
Dr. Zolles und MR Würzl sagten mir anschließend, daß es bereits jetzt
eine solche gemeinsame Werbeaktion gibt und daß jetzt nur zu klären ist,
wer in Hinkunft als aktiverer Vertreter dort die Geschäfte führen soll.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Kennst Du diese Institution?

Bei der 6. österr.-libysch-arabischen Gemischten Kommissionstagung waren
ein Dutzend Firmenvertreter als Experten anwesend. Da Gaddafi zwar mit
einer Riesenbegleitung gekommen war und aber zur Tagung nur der Schwer-
industrieminister Muntasser mit drei Begleitern erschien, schlug ich nach
allgemeiner Erklärung des Landwirtschaftsministers Haiden, der sich auch
für die Kommission besonders interessierte und meiner Übergabe der
Kooperations- und Lieferwünscheliste vor, in meinem Zimmer mit unserem
Handelsdelegierten in Libyen, dem Außenministeriums- und dem Bundeskanzler-
amts-Vertreter sowie MR Fälbl die Diskussion fortzusetzen. Dort nutzte
ich die Gelegenheit im kleineren Kreis, um die Beschwerdefälle wegen
Nichtbezahlung alle unterzubringen. Über die konkrete Projektliste
wollte Muntasser im einzelnen nicht sprechen, er hatte in der großen
Sitzung, so daß es immerhin zwei Dutzend Leute hörten, festgestellt, daß
er nur dann zusätzliche Geschäfte mit Österreich machen wird und kann,
wenn Österreich von Libyen mehr Rohöl kauft. Bei der Vorstellung dann
der einzelnen Firmen, die die Experten persönlich vornehmen konnten und
ihre Lieferwünsche besonders erörtern konnten, hat Muntasser oft sofort
umgerechnet, wieviel Schiffsrohöl diese Firma als Kompensation über-
nehmen müßte.

Bei der Pressekonferenz hat dann Gaddafi auf eine konkrete Frage, ob
Libyen tatsächlich nur mehr zusätzliche Importe aus Österreich tätigt,
wenn gleichzeitig Rohöl abgenommen wird, dies entschieden bestritten.
Er erklärte, Libyen hat Geld genug.

Diesen Eindruck hatte auch ich beim Mittagessen, wo ich ein Gespräch
zwischen Kreisky und Gaddafi zufällig mithörte, als dieser ihm vom
Konferenzzentrum, welches jetzt mit Hilfe von arabischen Geld gebaut
werden sollte, erklärte, die 350 Mio. $, die es kosten wird, seien nicht
allzu viel und er wird sich was überlegen.

Ich bin sehr gespannt, ob bei der Weiterführung der Verhandlungen
Muntasser mit der VÖEST-Alpine über die neuen Lieferungen, insbesondere


64-0310
die Einrichtungen für Schulen, diese Äußerung des Gaddafi einen Ein-
fluß auf die Verhandlungen Muntassers haben wird. Für abends hatte er
nach einer kurzen Aussprache mit GD Bauer, ÖMV und mir beim Mittagessen
auf Wunsch Bauers allein getroffen. Die ÖMV versucht, da sie dieses
Öl im Inland nicht braucht, eventuell einen Ausweg für Verkauf an Dritt-
länder zu finden. Sollte es GD Bauer nicht gelingen, dann wird, wie mir
GD Apfalter versichert, die VÖEST mit ihrer Gesellschaft Intertrading
sehr wohl eine solche Lösung suchen. GD Bauer machte mich darauf auf-
merksam, daß er jetzt große Schwierigkeiten hat, das saudi-arabische Öl
zu den Kontraktpreisen zu übernehmen. Er fragte mich, wie er sich ver-
halten sollte. Ich mußte ihm sagen, das ist ausschließlich seine Ent-
scheidung, wenn er gegenüber den Saudis kontraktbrüchig wird. Abends
hat mich dann noch BK Kreisky angerufen, um die Ergebnisse der Ge-
mischten Kommission zu erfahren. Er meinte auch, daß die Vermarktung
von Öl viel eher Apfalter, also der VÖEST mit Intertrading gelingen
würde, als der ÖMV.

ANMERKUNG FÜR RENNER: Bitte mit GD Bauer verbinden.

In der Lebensmittelarbeitergewerkschaft-Vorstandssitzung interessierte
man sich natürlich auch über den Gaddafi-Besuch. Darüber hinaus berichtete
aber auch über die spezielle Frage der Lehrlingsausbildung in Wien, die
bei der Messeeröffnung eine größere Diskussion zwischen Präs. Sallinger,
Bgm. Gratz und mir ausgelöst hatte. Als typisch wurde von der Gruppe
Süßwarenindustrie festgestellt, daß in Wien 50 männliche aber teilweise
auch weibliche Lehrlinge gerne einen Arbeitsplatz hätten. Erstmalig
muß festgestellt werden, daß diese, da sich die Zuckerbäcker scheinbar
wehrten, nicht untergebracht werden können. Darüber gab es natürlich
dann eine heftige Diskussion.

Laut meinem Tagesprogramm sollte es eine Plenarsitzung mit Gaddafi und
Kreisky im BKA geben. Dies war aber entweder eine falsche Interpretation
oder auch wieder einmal eine Änderung des Programmes. Gaddafi hat immer
nur mit Kreisky allein gesprochen, Gaddafi hat auch entschieden, daß er
nicht nach Linz und Salzburg fährt, sondern in Wien bleibt. Die VÖEST-
Alpine legten größten Wert darauf, daß ich in der Kommissionssitzung
neuerlich deponierte, daß sie größten Wert darauf legt, wenn Gaddafi
nach Linz käme. So als ob der Schwerindustrieminister Muntasser eine
Möglichkeit hätte auch nur gegenüber seinem Revolutionsführer anzu-
deuten, was er machen sollte. Da der Vertreter des BKA, Bodo Beelitz


64-0311
diese Entscheidung auf eine Zeitungsnotiz, die VÖEST sei an dem Besuch
nicht besonders interessiert, zurückführte, hoffte er durch diese
Intervention Gaddafi vielleicht umstimmen zu könne. Meine Erklärung war
viel einfacher, Freitag ist für sie der Sonntag, Gaddafi wird sich die
Gelegenheit nicht nehmen lassen, im Ausland im Gebet seine religiöse
Überzeugung zu dokumentieren.

Bei der Ankunft des britischen Handelsministers Biffen konnte ich
schon bei der Fahrt zum Flughafen nach Wien feststellen, daß sich dieser
insbesondere für die Kohlenlieferungen nach Österreich interessiert.
Deshalb will er auch unbedingt mit GD Apfalter von der VÖEST zusammen-
kommen, was durch umständliche Programmänderungen dann auch vereinbart
werden konnte. Schon am Flughafen ergab sich mit der VÖEST-Alpine, der
Wiener Vertreter Dipl.Ing. Richter war erschienen, das erste Gespräch
darüber. Da sich Biffen sehr für die Details der österr. Energiever-
sorgung interessierte, habe ich ihm dann zum Abendessen unser Handbuch
der Energiestatistik mitgebracht.

Der englische Botschafter hatte zu diesem Abendessen neben mir, nur
vom Außenministerium Dr. Reisch, ansonsten nur Oppositionelle einge-
laden. Dr. Mock, Dr. Taus, Dr. Schoeller, wahrscheinlich von der HK dele-
giert und anstelle des eingeladenen FPÖ-Obmann Steger kam Dr. Stix.
Dort drehte sich dann die Abendunterhaltung außer über Energiefragen
auch über die allgemeine Wirtschaftspolitik, insbesondere die Ver-
schuldung Westeuropas gegenüber Polen, die amerikanische ablehnende
Haltung des sowjetischen Gasgeschäftes usw.

Da ich mich um den FIAVET-Kongreß besonders kümmere, erschien ich dann
auch noch ganz kurz beim Gala-Abend im Parkhotel Schönbrunn. Dort war
allerdings schon nicht nur das Essen vorüber, sondern auch eine herr-
liche Balletteinlage vom Staatsopernballett, die Stimmung aber wirklich
am Höhepunkt. Präs. Magnoni ist von dem, was die österr. Fremdenverkehrs-
werbung seiner Organisation bietet, begeistert. Natürlich werde ich
dann durch mein Erscheinen, wenn auch sehr spät abends, entsprechend
mit ital. Begeisterung begrüßt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Erkundige Dich was ein wenig detailliert die
ÖFVW für den Kongreß aufgewendet hat.

64_0307_01

Tagesprogramm, 11.3.1982


Tätigkeit: GD ÖMV


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Beamter HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: MR HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Leiter wirtsch.pol. Sektion Außenamt


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Direktor ÖFVW


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Pressesprecher Staribachers


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Min. f. Schwerindustrie, Libyen


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: GD VÖEST


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    GND ID: 118756265


                                    Einträge mit Erwähnung:


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Präs. bei 10. Tavola Rotonda der ital.-österr. HK


                                              Einträge mit Erwähnung:


                                                Einträge mit Erwähnung: