Dienstag, 19. November 1974
Gen.Dir. Dr. Hecke von der Firma Siemens, den ich wegen der an-
geblichen Entlassungen in Deutschlandsberg anrufe, gibt zu,
daß sie beabsichtigen, von den 900 Beschäftigten 70 jugendliche
Frauen entweder Kurzarbeiten oder vielleicht entlassen müssen,
eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen, er fährt
nach München, um mit der Siemens-Spitze über dieses Problem zu
verhandeln. Die Bauelemente, die sie dort erzeugen, haben in der
letzten Zeit einen starken Absatzrückgang, und irgendwelche Maß-
nahmen müßten seiner Meinung nach getroffen werden. Keinesfalls
aber von der Gegenseite groß angekündigte und in Hunderte gehende
Entlassungswelle. Für den Villacher Betrieb mit 300 Beschäftigen
ist überhaupt noch kein Plan vorhanden, wieder einmal ist, bevor
überhaupt eine Maßnahme gesetzt wurde, in der Öffentlichkeit
schon ein wesentlich schlechteres Bild eines Betriebes gezeichnet
worden, sicherlich um der Regierung zu schaden, dabei aber gleich-
zeitig auch in Wirklichkeit den Betrieb schwer zu schädigen. Ich
habe mit Vizekanzler Häuser, der von der Besichtigung Fulpmes
und vor allem der Besprechung der Textilfabrik in Tirol über diese
Probleme gesprochen und Häuser wird alles daransetzen, um schnellere
Informationen selbst zu bekommen und mir dann weiterleiten. Interes-
sant war, daß er auch bei Swarovski sich erkundigte und dort für
die zweite Entlassungswelle, die im November starten sollte, wieder
keine detaillierte Auskunft bekommen konnte. Bei der 50 Jahr-Feier
des Alpenländischen Kreditorenverbands traf ich den Sektionschef
Lenert, der im Sozialministerium für diese Fragen zuständig ist, und
auch er wußte über eine weitere Entlassungswelle bei den in den
Zeitung stehenden Fabriken nichts. Die wirklich kritische steirische
Pelzfabrik Merino wird jetzt in Konkurs gehen, Häuser aber hat mir
zugesichert, daß er für eine eventuelle Auffangfirma sofort sorgt
oder Umschulungsbeihilfen oder beides geben wird. Noch immer sind
es vereinzelte Betriebe, die Entlassungen oder Kurzarbeiten einführen,
trotzdem verschlechtert sich in der Optik und damit auch psychologisch
in der gesamten Wirtschaft scheinbar die Arbeitsmarktsituation,
trotz der einmalig hohen Beschäftigung.
Anmerkung für KOPPE: Hier müßte unsere Propaganda einen neuen Weg ge-
hen – nur ein Plakat "Vollbeschäftigung hat Vorrang" ist zu wenig.
In der vierten Sitzung des Energiebeirates wurde das Konzept des
Energieplanes hart kritisiert, trotzdem glaube ich, daß es
größtenteils ungerechtfertigt war, denn jeder Mann hat zugegeben,
daß ein umfangreiches Material vorgelegt wurde, und selbst Leute,
die kritisieren wie die Bundeskammer, Dr. Rief, waren erschüttert,
wenn in dem Konzept drinnen steht, daß die Bundeskammer anderer-
seits ihre Unterlagen nicht vorgelegt hat. Kritisch war nur, daß
sofort der Energieverband, wahrscheinlich dann auch andere, ich
mußte leider früher weggehen, sich gegen die Energieabgabe und
vor allem gegen die Elektrogerätesteuer wendeten. Ich selbst er-
klärte, daß wir für die Elektrizitätsfinanzierung in der Zukunft
neue Wege gehen müssen und noch keine endgültige Lösung haben,
obwohl ich mich auch gegen die steuerliche Belastung und gegen
die Energieabgabe aussprach. Fremdkapitalmarkt weder im Inland
noch im Ausland, wenn die Tarifumgestaltung und damit grössere
Einnahmen für die EVUs und die Reorganisation und die Kostenerspar-
nisse, die diese bedingen sollen, nicht ausreicht, um die Finan-
zierung zu sichern, nächsten Jahr brauchen wird 15 – 16 Mia und
müssen wir, wenn die Abgabesteuer abgelehnt wird, irgendetwas
uns einfallen lassen. Im Beirat hat aber niemand einen wirklich kon-
kreten Vorschlag gehabt. Die Anregungen und Kritiken sollen schrift-
lich so schnell als möglich dem Ministerium bekanntgegeben werden,
damit sie wenn möglich berücksichtigt und dann der endgültige
Energieplan fertiggestellt wird. Insbesondere wird dies notwendig
sein, die grossen Leistungen, die wir in den vergangenen vier Jahren
allein bei dem Ausbau der Elektrizitätswirtschaft gegenüber 1966 und
1970 erbracht habe, stärker herauszustreichen und gleichzeitig aber
auch bei den Massnahmen und Empfehlungen, wenn politisch tragbar,
konkreter zu werden. Da die Unterlagen von der Ölwirtschaft trotz
mehrerer Urgenz nicht zur Verfügung gestellt wurden, drohte ich
dort, dass ich doch über die Preisfestsetzung und andere Möglichkeiten,
die mir zur Verfügung stehen, Energieträger, die nicht mit uns
kooperieren wollen, auch in Hinkunft entsprechend behandeln werde.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte lass unseren Genossen in der ÖMV wis-
sen, dass ich über ihr Verhalten sehr verärgert bin, weil ich eine
solche Behandlung von Frank nicht zulasse.
Gen.Dir. Erbacher, Verbund, möchte, da jetzt der neue schwarze
Vorstandsdirektor auf 5 Jahre bestellt wird, dass wir auch den soz.
Vorstandsdirektor, der ein Mandat nur mehr für 3 Jahre hat, auf
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fünf Jahre neuerdings bestellen. Mit dieser Gleichziehung bin ich ein-
verstanden, wobei gleichzeitig festgelegt werden muss, dass beide
bei der Kooperation oder betriebswirtschaftlichen Zusammenführung
mit der Donau dann für diese Funktion in der Ennskraftwerke keinen
Gehalt mehr beziehen dürfen.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte besprich dies mit Frank und beobachte
dies genau, sonst kriegen wir eine furcht-
bare Kritik in der Öffentlichkeit.
Im Ministerrat kam bei einer Beschlussfassung über die Sparmass-
nahmen Kreisky auch auf die Frage der Energieverbrauchsersparnis um
5 % beim Bund zu sprechen. Er meinte, es muss jetzt in der p.r.-
Arbeit mehr geleistet werden und es wird in Hinkunft nicht mehr
Botschafter Thalberg, sondern sein p.r.-Mann Kunz machen. Man muss
zuerst festhalten und den Leuten erklären, was die Verteuerung
der Öleinfuhren 10 Mia S mehr, wie er glaubt, bedeutet für den
Haushalt und für den Staat, d.h. für den Einzelnen und für die
Öffentlichkeit. Dann muss man festhalten, was der Bund in seinem
Verwaltungsbereich tut und dass die einzige effiziente Methode
gegen die Energiekrise nur die Einsparung ist. Dies hat man ihm
auch in Amerika neuerdings bestätigt. An Moser gewendet meinte
er, man müsse auch bei der Autobahnbeleuchtung, wie er in Vorarlberg
festgestellt hat, mehr einsparen. Dass diese ganze Beleuchtungs-
ersparnis nur sehr gering ist, aber optische natürlich eine grosse
Rolle spielt, will man scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen.
Er wendet sich auch ganz besonders gegen die Mindestabnahme-
tarife und ist sehr befriedigt zu hören, dass ich bei der jetzigen
Stromregulierung bei der Gemeinde Wien schon diesen Mindest-
abnahmetarif schrittweise abbaue. Ganz besonders aber macht er
neuerdings auf seine Bedenken zum Bau von Atomkraftwerken
aufmerksam. In Zukunft wird eine noch grössere Opinion gegen die
Atomkraftwerke sein. Ein schwedischer Mann hätte ihm und ins-
besondere auch Leodolter, ich glaube es handelt sich um Gen.Dir.
Weisskopf , der vorerst immer nur für die Atomkraftwerke eingetreten
ist, jetzt gesagt, dass die Bedenken nicht von der Hand zu weisen
sind, die die Wissenschaft dagegen einwendet. Leodolter meinte, die
Schweden hätten 100 Elektrizitätswerke, 12 davon sollen Atomkraft-
werke sein, die sie bauen und weitere werden sich sich erst
in Zukunft überlegen. Kreisky meinte, die Schweden werden sehr bald
sich einer neuen Politik zuwenden. Firnberg kam auf das Problem
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der Wissenschaft und ganz besonders des Antrages von Leodolter
über die Beseitigung von radioaktiven Abfällen in Seibersdorf zu
sprechen. Ich selbst verwies auch darauf, dass man die ersten Atom-
kraftwerke in Österreich gebaut hat, ohne zu wissen, was mit dem
Müll geschehen soll. Die Hoffnung, dass Deutschland ihn zurücknehmen
wird, ist sehr gering. Angeblich soll die Sortier- und Kompri-
mierungsanlage auch für den Atommüll des Atomkraftwerkes Zwentendorf
und wahrscheinlich auch noch Stein gelten und – und dies ist mir
vollkommen unerklärlich – nur ein paar Millionen Schilling kostet.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Wo gibt es endlich den Vorschlag, den ich be-
reits bei meinem Besuch in Zwentendorf verlangt habe? (Für die Atom-
müllbeseitigung und welche Kosten dadurch entstehen)
Trotz der grossen Bedenken Kreiskys erklärte ich dezidiert, dass es
für uns derzeit keine andere Alternative als die Errichtung von
Atomkraftwerken gibt.
Kreisky berichtet darauf über seinen Besuch in Amerika und unter-
streicht, dass Österreich, obwohl es von Amerika weder Waffen noch
Geld braucht, jetzt bereits eingeladen wurde, obwohl er selbst
erst mit Frühjahr nächsten Jahres gerechnet hat. Die Konfrontation
mit Amerika wird sich wieder bei der internationalen Energieagentur
herausstellen, da keine Strategie gegen die Ölländer nach unserer
Auffassung gemacht werden soll. Die Franzosen sind deshalb nicht in
die Agentur gegangen, weil sie die amerikanische leadership-Position
ablehnen. Man hat versucht, und es ist ihm gelungen, die Aversion
Amerikas gegen die UNO-City in Wien, d.h. das dritte UNO-Quartier,
zu beseitigen. Jetzt beginnt die ÖVP wieder der Gruppe in Amerika,
die sich dagegen wendet, Munition zu liefern, indem sie darauf hin-
weist, dass das Konferenzzentrum jetzt nicht gebaut wird, eigent-
lich eine Voraussetzung für die dritte UNO-Stadt. Kreisky meint,
nirgends in der Welt würde die Opposition, wenn es darum geht, einen
internationalen Erfolg zu erreichen, sich in so einem Fall durch
Argumentlieferung für den Gegner kompromittieren.
Im Integrationsausschuss standen zwei Gesetzentwürfe des Finanz-
ministeriums, wonach dieses ermächtigt wird, auf Verordnungswege
entsprechende Massnahmen zu setzen, zur Beschlussfassung. Der Finanz-
minister hat mich um die Vertretung ersucht und ich war dazu selbst-
verständlich bereit. Interessant begann Mitterer die Diskussion,
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ob es vom verfassungspolitischen Standpunkt zweckmässig ist, eine
solche Ermächtigung dem Minister zu geben. Auch Dkfm. Gorton, der
zweite Vertreter der Wirtschaft, hegt grosse Bedenken. Ich erklärte
sofort, dass verfassungsrechtlich alles in Ordnung ist, weil es sich
um Verfassungsbestimmungen handelt, die vorgesehen sind, vom Verfas-
sungsgesetzgeber, dem Nationalrat, mit Zweidrittelmehrheit beschlos-
sen werden und deshalb dem Verfassungsdienst dies gar nichts mehr
angeht. Wenn aber die ÖVP will, stellen wir die ganze Frage zurück,
prüfen sie, den Schaden hat dann die Wirtschaft. Bei dieser Methode
waren die anderen dann sofort bereit, diese Diskussion abzubrechen
und zuzustimmen.
Beim Festakt des 50-jährigen Bestandes des alpenländischen Kredi-
torenverbandes nützte ich die Gelegenheit, um trotz der starken
Konkurssteigerung um 30 % ein begründetes optimistisches Bild der
wirtschaftlichen Lage zu zeichnen. Dies tat ich schon allein deshalb,
weil dort mehrheitlich ÖVP-ler sassen, auch Koren war dabei, die
sich ja besonders durch Schwarzmalen in der Vergangenheit ausgezeich-
net haben. Bei dieser Gelegenheit erwähnte ich auch, dass Präsident
Sallinger als Handelskammermann und ich als Handelsminister nach wie
vor Optimisten sind. Broda, der nachher sprach, verwies darauf und
zitierte Schiller, dass man ihm gewähren sollte, in diesem Bunde
der Dritte zu sein. Dkfm. Gorton meinte nachher zu mir, ich hätte
Sallinger einbezogen, ohne dass der eigentlich damit übereinstimmt,
was ich aber gleich ganz energisch zurückwies. Sallinger liegt nämlich
tatsächlich auf derselben Linie wie ich, meint, man solle nicht durch
harte Formulierungen und vor allem pessimistische Prognosen tat-
sächlich die Wirtschaft wahrscheinlich psychologisch dadurch schwer
schädigen. Koren meinte dann, man hätte noch weiter zitieren sollen,
die Bürgschaft, und drei mit gewaltigen Streichen erlegte die
anderen entweichen. Er hat allerdings nichts gesagt, ob er dann
der war, der die drei erlegt hat. Was mich aber wirklich freute, war,
dass ich nachher ein Gespräch aufschnappte, wo sie drüber diskutierten,
dass ich als Handelsminister auf alle Fälle Optimist sein muss. Ein
Handelsminister, der nicht optimistische Äusserungen von sich gibt,
der vielleicht nur ununterbrochen von den Schwierigkeiten spricht,
ist selbst nach Meinung der Schwarzen fehl am Platz. Ich kenne die
Gefahr, die meine Politik beinhaltet, ganz genau. Solange alles gut
läuft und solange nicht tatsächlich ein grösserer Rückschlag kommt,
wird ein jeder sagen, der Optimismus von Staribacher als Happy-Pepi
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ist durch nichts begründet, denn er selbst wird auf Grund seiner
Taten schon wissen, warum er dies sagt und letzten Endes bis jetzt
haben sich ja seine Prognosen bewahrheitet. Wenn es aber tatsächlich
zu einem Rückschlag kommt, dann wird man sicherlich sagen, das hätte
der Handelsminister voraussagen müssen und entsprechende Gegenmass-
nahmen ergreifen. Auch dann, wenn ich dazu gar nicht die Möglich-
keit habe. Trotzdem glaube ich, gibt es keine andere Wahl für mich,
als solange die Daten dies einigermassen zulassen, ein optimistisches
Bild zu entwerfen. Natürlich ist mir vollkommen klar, dass die europäi-
sche Wirtschaftsentwicklung letzten Endes auch die Wirtschaftsent-
wicklung bestimmen wird. Natürlich ist mir vollkommen klar, dass
auch wenn nächstes Jahr der private Konsum um 7 % zunehmen wird
und damit die Konjunkturlage in Österreich besser sein wird als
in anderen westeuropäischen Staaten das Problem der Strukturverschie-
bung vom Investitionsgütersektor auf den Konsumgütersektor grosse
Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Natürlich ist es mir vollkommen
klar, dass wenn es zu Abbaumassnahmen auf dem Bausektor kommt, dadurch
dass die kleineren Aufträge jetzt in der letzten Zeit nachge-
lassen haben und der Staat hier mit Grossaufträgen gar nicht entspre-
chend helfend einspringen kann, d.h. kleine Bauunternehmungen auf alle
Fälle unter die Räder kommen werden, dies nicht in das Konzept einer
optimistischen Wirtschaftsentwicklung passt. Trotzdem glaube ich, wäre
es ein grosser Fehler, diese Schwachstellen unserer Regierungspolitik
besonders herauszustreichen, wenn damit gar nichts anderes erreicht
wird, als dass die Wirtschaft neuerdings auch von Regierungsseite
verunsichert wird. Wenn nämlich die Unternehmer das Gefühl hätte,
dass tatsächlich die Regierung hier kapituliert und im nächsten Jahr
eine Entwicklung erwartet, wie es in den anderen westeuropäischen
Staaten jetzt bereits eingetreten ist, dann wird er auf alle Fälle
Arbeitskräfte, die er jetzt noch hält, freisetzen. Jetzt sind die Un-
ternehmungen noch bereit, eingedenk der schwierigen Arbeitskraftbe-
schaffung nach der letzten Rezession, die in Österreich ja 1968/69
den Unternehmern noch in Erinnerung ist, eben Arbeitskräfte, die
nicht voll ausgelastet sind, nicht freizusetzen, da sie im Frühjahr
einen Konjunkturaufschwung erwarten, werden sie, so hoffe ich, über
den Winter eine gewisse Arbeitskraftreserve in den Betrieben halten.
Ein typisches Beispiel: Swarovski. Die Firma hat 1967 sofort 600
Arbeitskräfte radikal abgebaut, diesmal herrscht dort eine ähnliche
Situation, vielleicht gelingt es, dass wir mit der Hälfte der freige-
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setzten Arbeit durchkommen. Wenn wir diese dann alle noch anderswo
unterbringen, ist es ein ganz grosser Erfolg und wir haben die
wirtschaftliche Rezession, die zu erwarten ist, besser gelöst als
die ÖVP-Regierung. Das Ganze noch mit einer Unternehmerschaft, die im
Grunde genommen politisch auf alle Fälle der ÖVP zuneigt und damit
eigentlich der Politik und den Wünschen der ÖVP sicherlich lieber
Rechnung trägt als 1967, als sie sich mit diesen Massnahmen gegen
die ÖVP-Regierungspolitik wenden musste. Obwohl ich im Grunde meiner
Seele ein pessimistischer Mensch bin, glaube ich, dass selbst
wenn die Daten ein anderes Bild geben würden, es unverantwortlich wäre,
wenn ich als Handelsminister eine pessimistische Note oder eine pessi-
mistische Auffassung ununterbrochen zur Schau tragen würde. Deshalb
habe ich mir selbst die Bezeichnung "Happy-Pepi" gegeben, deshalb
werde ich immer, auch dann, wenn ich auf die Schwachstellen der Wirt-
schaftspolitik, insbesondere der Drohung aus dem Ausland, immer wieder
hinweise, die optimistische Seite herausstreichen.
Bezüglich der Einarbeitung der Feiertage zu Weihnachten hat es ein
kleines Missgeschick gegeben. Häuser hat vor längerer Zeit allen
Ministern am Stubenring seinen Entwurf, den er mit Personalvertretung
absprechen wollte und der seiner Meinung nach der einzig richtige ist,
mitgeteilt, wonach ein Drittel anwesend sein müssten. Häuser hat nachge-
ordneten Dienststellen und auch das Landwirtschaftsministerium und
Bautenministerium und meint deshalb, es müssten die Bevölkerung die
Möglichkeit haben, diese Dienststellen auch während der Weihnachtszeit,
wo sie vielleicht selbst die Freizeit eingearbeitet haben, diese Ämter
zu besuchen. Wesentlich für mich war aber die Überlegung, dass man
in einem gemeinsamen Regierungsgebäude nicht verschiedene Freizeit-
lösungen finden kann und darf. Ich hatte deshalb zugestimmt, dass
wir einheitlich so vorgehen sollen, dass mit der Personalvertretung
jeder Minister oder sein Präsidium Verhandlungen führt dahingehend,
dass wir eine einheitliche Regelung anstreben. Durch ein Missgeschick
hat nun Engelmayer als Personalvertreter eine Äusserung Kieslichs so
verstanden, dass der Minister bereit ist, den Vorschlag der Personal-
vertretung zu akzeptieren, dieser baut sich aber auf einem Journal-
dienst auf, d.h. nicht so wie das Bundeskanzleramt vorsieht, aber kon-
trär der anderen Minister von Stubenring. Ich konnte deshalb weder
Häuser noch die anderen Minister desavouieren, musste darauf bestehen,
dass mein vor einigen Tagen dem Präsidium mitgeteilte Lösung, nämlich
gleiches Vorgehen für alle im Regierungsgebäude Beschäftigten durch-
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geführt werden muss. Dies ist eine furchtbar peinliche und auch für
Kieslich unangenehme Situation. Wenn ich einen Ausweg müsste, würde
ich Engelmayer jetzt auch seiner Patsche gern heraushelfen, da dieser
ja erklärt hat, dass diese von ihm herausgegebene Verlautbarung hätte
auch die Zustimmung des Handelsministers. Er hat aber weder mit
mir geredet, noch kann ihm das Präsidium erklärt haben, dass ich dem
zustimme, weil ich ganz gegenteilig Sekt.Chef Schipper darauf aufmerksam
gemacht habe, dass eine einheitliche Lösung im Regierungsgebäude er-
reicht werden muss. Ich selbst habe in keiner Phase Zweifel daran ge-
lassen, dass wir hier nur so vorgehen können, wie die anderen Mini-
ster dies ebenfalls in Aussicht nehmen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte die Angelegenheit schnell erledigen,
sonst kann passieren, dass ein Beschäftigter sich auf die Mitteilung
von Engelmayer verlässt und entsprechende Urlaubspläne schmiedet.
In der Sektionsleiterbesprechung im 3. Bezirk wurde ich, bevor die
Sitzung begann, bereits wegen der Energiemassnahmen attackiert. Beamte,
die uns wohlgesinnt sind, meinen, dass man bei 20 Grad nicht arbeiten
kann. Am meisten aber fürchten sie, dass zum Aufwärmen der Räume
selbst Kochplatten die ganze Zeit in Betrieb gehalten werden. Die
Gefahr, die ich auch immer sehe, nämlich dass man, wenn der Ofen
nicht genug Wärme gibt, sich dann aus der Steckdose zusätzliche
Energie holt, wurde mir hier drastisch vor Augen geführt. Auf Koch-
platten hatte ich wirklich nicht gedacht. Eher auf Elektroöfen. Ich
versuchte deshalb in der Sektionsleitertagung dann die ganze Frage
zu erklären und ganz besonders darauf hinzuweisen, dass eine psycho-
logische Wendung jetzt eingetreten ist. Früher wurden, als die SPÖ
sich in einem Aufwind befand, Äusserungen Kreiskys ähnlicher Natur
weder vom Gegner entsprechend attackiert, aber was das Wichtigste
ist, auch von den Massenmedien und vor allem einmal den Zeitungen,
selbst den gegnerischen Zeitungen, nicht kritisiert, sondern als
notwendige Massnahmen dargestellt. Jetzt dagegen werden Äusserungen
wie Nassrasieren oder Fernseheneinstellen oder der Bund muss sparen
kritisch unter die Lupe genommen und Kreisky eins am Zeug geflickt.
Die Änderung in der öffentlichen Meinung verunsichert jetzt unsere
Leute. Jacobi und unsere Sekretärin Tischler waren der Meinung,
dass ich aber mit diesen Ausführungen ebenfalls unsere Leute nur
weiter verunsichere. Ich selbst bin jetzt wirklich in einem Dilemma.
Wir kann man unsere Funktionäre im dritten Bezirk gegen Angriffe
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immunisieren, die auf die Verunsicherung von Kreisky hinauslaufen,
ohne sie nicht selbst weiter zu verunsichern, indem man ihnen die
so komplizierten Zusammenhänge erklärt. Solange alles gut läuft,
gibt es ja keine Probleme und Kreisky konnte tun und lassen, was
er wollte, seine Äusserungen standen ausserhalb jeder Kritik.
Als am Beispiel der Energieversorgung, wie ich selbst erlebte, dann
ein Unsicherheitsfaktor in der Wirtschaft und in der Versorgung
eintrat und ich in dieser Unsicherheitsphase die Bevölkerung auf-
zuklären versuchte, und zwar objektiv und nichts beschönigte,
erreichte ich das Gegenteil, nämlich anstelle einer Beruhigung
nur neuerliche Unruhe mit Hamsterkäufen und einem vollkommenen
Zusammenbruch der Versorgung. Vielleicht ist es wirklich notwendig,
dass man sich in so einem Fall wider besseren Wissens dazu ent-
schliesst, zu schweigen, denn anlügen will und werde ich niemals
jemanden. Ich das Schweigen schon in meinen Augen das Optimum,
was man in so einem Fall machen kann, kann hier der Grundsatz gel-
ten: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold? Ich weiss es nicht.
Ein anderes praktisches Problem, wo ich wahrscheinlich auf die
Dauer nicht schweigen werde können, ist die Zuckerversorgung.
Von den Betriebsräten erfuhr ich, dass zum Unterschied von den
vergangenen Jahren bei der Kampagne nicht 30 % ausgeliefert
werden, sondern 70 % ausgeliefert und nur 30 % auf Lager gehen.
Der Zucker muss also – denn ich kann mir nicht vorstellen, dass
alles im Inland gehamstert sind – irgendwelche Wege ins Ausland
haben. Bei einer Preisdifferenz von 8.30 Inlandspreis und 19.50
in der Schweiz ist dies leicht möglich und erklärlich. Die
Zuckerindustrie gibt mir aber, wie ich immer wieder feststellen
kann, keine Unterlagen, oder wenn sie welche gibt, total ver-
altete und vielleicht auch gar nicht vollständig. Um die Be-
völkerung nicht zu beunruhigen, habe ich dieses Problem in keinem
Gremium bis jetzt zur Sprache gebracht. Auch bei den Pressekonferen-
zen habe ich es ganz bewusst ausgeklammert. Die Beamten im Handels-
ministerium hatten sich damit begnügt, entsprechende Verordnungen
zu erlassen, ohne zu überprüfen, ob diese auch tatsächlich aus-
reichen und vor allem, ob sie tatsächlich auch kontrolliert werden
Wenn wir nicht rechtzeitig Vorkehrungen treffen, kann es uns passie-
ren, dass wir im nächsten Jahr knapp vor der Wahl in einen wirk-
lichen Zuckerengpass kommen. Wie lange kann ich also tatsächlich
noch schweigen?
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wenn nicht bald Ergebnisse vorliegen, bitte
sofort ein Projektteam einsetzen, um alle Massnahmen zu treffen
wie seinerzeit bei der Benzinbewirtschaftung.
Tagesprogramm, 19.11.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 141. Ministerratssitzung, 19.11.1974
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