Samstag, 6. September 1980, und Sonntag, 7. September 1980
Die Eröffnung der Wiener Herbstmesse war meiner Meinung nach zeit-
mäßig unmöglich organisiert. Um 10 Uhr ist wie immer Bundespräsident
Kirchschläger pünktlich eingetroffen. 5 Redner waren vorgesehen und
um 10.30 sollte bereits die Landwirtschaftsmesse eröffnet werden.
Mautner Markhof hatte diesmal eine längere Begrüßungsansprache, weil
er, wie ging es auch anders, auf das Problem der Welser Messe indirekt
eingegangen ist. Er meinte, die Wiener Internationale Messe, die
jährlich auch die Landwirtschaftsmesse beinhaltet, sei die größte
und wichtigste zum Unterschied von anderen, gemeint war Wels, die nur
alle 2 Jahre diese Messeveranstaltungen haben. Die Welser nämlich müssen
sich immer mit der Rieder teilen. Bundeskammerpräsident Sallinger hat
dann wider Erwarten auch verhältnismäßig lange geredet. Sein Hauptan-
liegen war, keine weiteren Belastungen der Wirtschaft aufzuerlegen.
Gratz sprach verhältnismäßig kurz und ich erklärte sofort, um den Zeit-
plan einhalten zu können, es war 5 Minuten vor halb und der Bundesprä-
sident noch gar nicht dran, werde ich schnell und kurz reden. Mein
Hauptanliegen war diesmal nicht die Wirtschaftssituation, die ich
wirklich nur kurz streifte, sondern daß es doch sinnlos wäre zu glau-
ben, mit einem Messegesetz könnte man den Streit und die Differenzen
zwischen den Welsern und Wienern bereinigen. In der ersten Republik
gab es ein ähnliches Gesetz, damals gab es allerdings nur 3 Messen,
Wien, Graz und Innsbruck. Heuer macht die Wiener allein 25 Messever-
anstaltungen und insgesamt kommen wir auf 158.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte das Messegesetz aus der ersten Republik
raussuchen.
Für mich war wichtig, so wie bei allen Herbstmessen, die ausländischen
Aussteller zu besuchen. Diesmal waren es besonders viele und auch
neue Länder. Bangladesch, Türkei, Nigeria auch die Rotchinesen hatten
diesmal einen eigenen Pavillon, doch nicht annähernd so groß als das
vorletzte Mal. Die Sowjetunion dagegen hatte eine ganz große Ausstel-
lung. Die sowjetische Delegationseröffnung war auch diesmal wirklich
besonders groß, neben dem Vizeaußenhandelsminister auch den Vizeprä-
sident der sowjetischen Handelskammer und alle natürlich mit etlicher
Begleitung. Auch mit Nationalchina gab es diesmal eine befriedigende
Lösung. Sie waren bereit auf die Flagge und vor allem auf den Namen
Nationalchina oder auch nur Formosa zu verzichten, sondern sind unter
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einer Gemeinschaftsausstellung von etlichen Firmen aufgetreten. Die
Messeleitung war sehr überrascht, als ich erklärte, ich müßte auch un-
bedingt zu diesen Ausstellern gehen. Immerhin haben wir mit National-
china heute einen größeren Handelsverkehr als wie mit der VR China.
Beim Mittagessen, das ich präsentieren mußte, aber die Messe AG be-
zahlt hat, mit den Russen, habe ich in meiner Ansprache neuerdings
darauf verwiesen, daß wir hoffen, etliche Bestellungen jetzt noch in
diesem Jahr zu bekommen. Es ist für uns unerträglich, daß unser Im-
port fast um 50 % steigt und der Export um fast 10 % in die Sowjet-
union zurückgeht. Insbes. haben die Schiffswerften jetzt keinen An-
schlußauftrag und müßten Leute abbauen. Handelsrat Nikolaenko meinte,
es ist gut, daß ich dieses Problem auch mit den Vertretern aus Moskau
zur Sprache bringe, damit sie Patolitschew bei ihrer Rückkehr sofort
informieren. Darum habe ich sie auch besonders ersucht. Um hier Abhilfe
zu schaffen, meint Nikolaenko aber, müßte man von höchster Stelle,
sprich Kreisky, an den Ministerpräsidenten Kossygin, noch besser an
Breschnew schreiben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Briefentwurf für Kreisky sofort ver-
anlassen.
Der ORF sendet zumindestens für das Landesstudio Wien aus seinem
eigenen Pavillon. Interessant für mich war, daß Annemarie Berté mit
dem Maler Hodina und mit mir eine stundenlange Sendung machte. Zwischen-
durch gab es Platten, die Leute hören sich das dort an, wenn ein
Schmäh rennt, lachen sie sogar und applaudieren dazwischen. Berté selbst
interessiert sich nie für Politik, wie sie sagte, sondern nur um die
Menschen. Trotzdem habe ich bei dieser Gelegenheit wieder reingestreut,
daß man nach 10 Jahren zwar abgenützt ist, aber noch lange nicht amts-
müde. Ich glaube allerdings kaum, daß die Sendung von vielen gehört
wird. Ö3 dagegen hat in der großen Radio- und Fernsehhalle auch ein
eigenes Studio und dort wurde auch ich wieder interviewt, was mir an
der Messe am besten gefällt.
Da Staatssekretär Albrecht, die anfangs mit mir den Rundgang mitge-
macht hat, was mich sehr freute, denn sie lernt dadurch auch die aus-
ländischen Botschafter, Handelsvertreter usw. kennen, hatte nachher eine
andere Veranstaltung und mich dringendst gebeten, bei den Wiener Frauen,
die auch dort jetzt eine Ausstellung hatten, vorüberzugehen. Interes-
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sant war dort die Diskussion. Da unsere Sekretärin von der Landstraße,
wie man sagt, eine resche, um nicht zu sagen goscherte Wienerin, auch
dort das große Wort führte, waren die anderen Frauen über den lockeren
Ton, der bei uns auf der Landstraße herrscht, sehr überrascht. Ich per-
sönlich bin aber sehr glücklich, wenn scheinbar zum Unterschied von ande-
ren Bezirken bei uns diese Art der Diskussion herrscht, denn nichts
ist schlechter, wenn über Probleme nicht mehr gesprochen wird. Noch
schlechter allerdings ist es, wenn man sich vielleicht gar nicht mehr
über Probleme sprechen traut. Davon sind wir auf der Landstraße Gott
sei Dank sehr weit entfernt.
Sonntag, 7. September
Zur Welser Messe, wo ich ursprünglich gar nicht die Absicht hatte
hinzufahren, bin ich letzten Endes dann doch vor allem wegen der Presse-
konferenz 11 Uhr erschienen. Ohne Musikempfang, dafür umso herzlicher
vom Präsident Neuhauser begrüßt, hatte ich Gelegenheit bei meiner Ant-
wort über alle Lautsprecher der ganzen Messe x-tausende Menschen anzu-
sprechen. Diese Gelegenheit nützte ich natürlich reichlich aus. In
der Pressekonferenz, die angeblich von lauter bedeutenden oberösterr.
Journalisten beschickt war, berichtete Neuhauser über den Messeablauf.
Weit über 1 Mio. Besucher, wahrscheinlich 1,2, wie mir der Direktor dann
zuflüsterte, ist natürlich bedeutend mehr als in irgend einer anderen
Messe in Österreich, einschließlich der Wiener. Eine lange Diskussion,
ob man um 9.00 Uhr beim nächsten Mal erst die Messe öffnen kann, der-
zeit es ist es von 8–18 Uhr offen. Der Eintritt ist derzeit 35,–– S,
das nächste Mal wird er 45,–– sein. Für den Unterhaltungsteil der
Messe, der Freitag, Samstag bis 4 Uhr früh, ansonsten bis 3 Uhr früh
offen ist, bezahlt man nur 10.––, das nächste Mal wahrscheinlich 15.––
Ebenso stand die Frage zur Diskussion, ob man 10 Tage, daß heißt be-
reits Freitag beginnend bis nächstes Wochenende Sonntag, oder nur 9
Tage, beginnend also Samstag, die Messe offen haben soll. Samstag
kommen allerdings wenig offizielle Gäste, weil sie lieber Ferien machen,
vor allem aber ist das Presseecho von der Samstageröffnung am Sonntag
wesentlich geringer als jetzt bei der Freitageröffnung, wo am Samstag
ziemlich in den örtlichen Blättern eingehend berichtet wird. Selbst-
verständlich ging Neuhauser auf den Terminstreit mit der Wiener Messe
ein. Er hätte damit gar nicht beginnen wollen, aber GD Hintschig von
der Wiener Messe hat erklärt, 1978 hätte es eine Aussprache beim
Handelsminister gegeben und damals sei eindeutig ein Termin vereinbart
worden und die Welser Messe hätte ihn jetzt gebrochen. Dies erklärte
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er sowohl bei einer Linzer als auch bei einer Salzburger Pressekonfe-
renz. Neuhauser bestreitet dies ganz entschieden, meinte, der Termin
der Landwirtschaftsmesse für Wels sei seit 102 Jahren der gleiche,
nämlich es müsse die Ernte vorüber sein. Natürlich wurde ich über die
Maßnahmen gefragt, die ich ergreifen werde, um dieses Problem zu lösen.
Ich erklärte einmal mehr, es gibt kein Messegesetz, welches eine so
schwierige Frage befriedigend lösen kann. Ich muß daher so wie in der
Vergangenheit versuchen, ob es nicht doch zu einer befriedigenden Lö-
sung kommt. Die nächste Überschneidung wird 1986 sein. Einzelne andere
Themen bei der Pressekonferenz war die Wettbewerbsverzerrung durch er-
höhte Mehrwertsteuersätze, welche ein deutscher Journalist fragte, und
dann die Hinweise, daß 1/2 l Bier 13 S kostet und ein Apfelsaft ge-
spritzt 26,–– bis 38,––.
Das wirkliche Problem zwischen Wels und Wien konnte ich dann beim
Durchgang feststellen. Nicht nur der Massenbesuch, es war der letzte
Sonntag und die Messe war wirklich so voll, daß man sich kaum bewegen
konnte, sondern immer mehr die eindeutige Erklärung von Ausstellern
in Wels sehr zufrieden zu sein. Die Aussteller haben wirklich spontan
solche Erklärungen abgegeben, was mich zur Bemerkung veranlaßte, Neu-
hauser hätte bestochen. Die Welser dürften, was das Entgegenkommen ge-
gen die Aussteller betrifft, wirklich sehr beweglich, sehr geschickt
und sehr initiativ sein. Unter anderem wurde mir versichert, daß die
Landmaschinenaussteller sich eindeutig jetzt für Wels entschieden haben,
daß die Interessengemeinschaft Backen und der Vorsitz des Firmenchefs
von Werner & Pfleiderer eindeutig festgelegt hat, daß sie die Fach-
messe nur in Wels abhalten werden, ein Anbot von GD Hintschig nach
Wien zu gehen eindeutig abgelehnt haben. Auch die Bäckerinnung hat
sich eindeutig für 1982 zugunsten Wels wieder einmal entschieden. In
Wels wurde die 8. Internationale Bäckerausstellung und die 7. Fleischer-
ausstellung heuer gefeiert.
Im Herbst hat Androsch den Welsern zugesagt, er eröffnet eine große
Autoausstellung. Neuhauser sicherte sich gleich ab, daß ich eventuell
bereit bin, anstelle Androsch diese Ausstellung zu eröffnen, was ich
ihm auch zusagte. Ebenso erwartet er, daß ich am 4. April die Fremden-
verkehrsausstellung in Wels eröffne.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte die Termine fixieren.
Als Messeprogramm läßt er dann auf einer Festwiese, wo auch zehntau-
sende von Leuten zuschauen können, eine 10-köpfige Artistengruppe
aus China auftreten. Teils bekannte Akrobatiks , teils aber ganz neue,
wirkliche einmalige Spitzenleistungen. Für jeweils 2 Aufführungen eine
Stunde Dauer pro Tag kostet ihn die ganze Truppe 250.000.––, eine
Attraktion und Sensation für die Messebesucher zu einen verhältnis-
mäßig billigen Preis. Die Hetz ist in Wels natürlich ein Teil der Messe-
veranstaltung, Besuch daher entsprechend sehr gut, Kaufkraft, wie mir
die Aussteller sagten, einmalig, Umsatz daher und damit das positive
Ergebnis dieser Messe auf alle Fälle gegeben. Da Neuhauser nächste
Woche Dienstag in Wien ist, werde ich versuchen mit ihm und Hintschig
allein unter 6 Augen zu sprechen.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Hintschig verbinden.
Tagesprogramm, 6.9.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)